Süddeutsche Zeitung

Prozess:Navi-Diebe vor Gericht

Zwei Angeklagte sollen 28 Fahrzeuge aufgebrochen haben

Von Imke Plesch

Auf Youtube habe er sich angeschaut, wie man in Autos einbricht, erzählt der Angeklagte Mantas R. leise und schaut zu Boden. "Das kann jeder, das hat nichts Professionelles." Nun ist der 20-Jährige gemeinsam mit dem 29-jährigen Mykolas V. vor dem Landgericht München wegen einer bemerkenswerten Diebstahlserie angeklagt: In 28 Fällen sollen die beiden im Großraum München Fahrzeugteile, vor allem Navigationsgeräte und Multifunktionslenkräder, im Gesamtwert von etwa 170 000 Euro aus geparkten Autos ausgebaut haben. Dabei entstand ein Sachschaden von etwa 200 000 Euro an den Wagen.

Laut Anklage gingen die Diebe fast immer gleich vor: Sie schlugen die Dreieckscheibe einer der hinteren Türen ein, um ins Innere des Fahrzeugs zu gelangen. Bis auf einen Mercedes suchten sie sich ausschließlich BMW-Modelle mit Automatikgetriebe aus. In einem Fall sollen sie gleich das komplette Auto gestohlen haben. Die beiden Beschuldigten sitzen bereits seit Februar 2018 in Untersuchungshaft.

Zu Beginn des Prozesses verkündet der Anwalt von Mantas R., sein Mandant wolle sich kooperativ verhalten. Doch als dieser dann behauptet, er habe alle Taten allein begangen, vermutet Richter Stephan Kirchinger: "Irgendwas stimmt hier nicht." Daraufhin stecken die beiden Angeklagten und ihre Verteidiger kurz die Köpfe zusammen, um ihre weitere Strategie zu beraten. Der mutmaßliche Komplize Mykolas V. erklärt, er wolle nun ebenfalls aussagen. Doch zuerst geht es mit Mantas R. weiter: Er stamme aus Kaunas in Litauen, berichtet der Angeklagte. Seine Eltern hätten sich getrennt, als er zwölf Jahre alt war. Gegen Ende seiner Schulzeit sei seine Mutter an einem Nierenleiden erkrankt, da habe er die Schule hingeschmissen, um ihr finanziell zu helfen. Mehrere Monate lang habe er in Litauen gejobbt, anschließend sei er das erste Mal nach Deutschland gefahren, um Arbeit zu finden. Als die Suche erfolglos blieb, habe er im Dezember 2017 "mit dem Unsinn angefangen" und Autos aufgebrochen. Er habe nicht ohne Geld wieder nach Litauen zurückfahren wollen.

Dann ist Mykolas V. an der Reihe: Er sei nur der Fahrer gewesen, erklärt er dem Richter. Er habe Geld gebraucht, um seine Alkohol- und Drogensucht zu finanzieren. Sein Traum sei es gewesen, in Kaunas mit seiner damaligen Freundin eine Bar zu eröffnen. Doch nach der Trennung habe er keine Motivation mehr gehabt, zu arbeiten, habe täglich Alkohol und Drogen konsumiert und zwei Suizidversuche begangen. Er würde in der Haft gerne eine Entziehungskur und Psychotherapie machen, um noch etwas vom Leben zu haben, erklärt er vor Gericht.

Richter Kirchinger verkündet schließlich, dass er bei Mykolas V. nicht über eine Strafe von fünf Jahren und drei Monaten hinausgehen wolle, bei Mantas R. unter Anwendung des Jugendstrafrechts nicht über drei Jahre und neun Monate. Der Prozess dauert an.

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Quelle:
SZ vom 25.03.2019
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