Prozess:Nachbarn auf der Anklagebank

Eine Rettungsaktion endet in einer Messerattacke - und vor Gericht

Von Stephan Handel

Erst schlugen sie sich, dann landeten beide deswegen im selben Krankenhaus - und nun fanden sich die zwei Männer sogar auf der gleichen Anklagebank wieder: Weil sie sich gegenseitig verletzt hatten, waren die beiden angeklagt wegen versuchten Totschlags am jeweils anderen. Das Landgericht verurteilte sie zu sechs und vier Jahren Haft.

Es war ein Nachbarschaftsstreit unter Betrunkenen, der sich im August 2017 in einem Hinterhof in Beg am Laim abspielte. Von seinem Wohnungsfenster aus sah Shareed M., dass ein Mann dort von einer Gruppe angegriffen wurde. Er schnappte sich ein Küchenmesser, lief hinunter und wollte dazwischengehen - wurde jedoch selbst von einem der Beteiligten, Yavuz V., angegriffen. M. zog sein Messer und stach seinem Kontrahenten damit in den Hals, die Verletzung war zwei Zentimeter tief. Bei dem Stich brach das Messer ab, M. hatte nur noch den Griff in der Hand. Die am Boden liegende Klinge schnappte sich nun Yavuz V. und ging seinerseits auf M. los - eine vier Zentimeter tiefe Stichwunde im Unterbauch war die Folge. Neben diesen Angriffen gab es noch diverse Fußtritte, Faustschläge und an den Kopf geworfene Bierflaschen, was die Anklage dann noch um den Vorwurf der gefährlichen Körperverletzung ergänzte.

Yavuz V. muss nun laut Urteil für vier Jahre ins Gefängnis, Shaared M. für sechs, weil er es war, der das Messer ins Spiel gebracht hatte. Obwohl er vorgeblich dem zunächst Angegriffenen helfen wollte, habe das Ganze mit Zivilcourage nichts zu tun, sagte Michael Höhne, der Vorsitzende Richter, in seiner Urteilsbegründung, und betonte: "Zivilcourage darf nicht zum Feigenblatt für Selbstjustiz werden."

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