Süddeutsche Zeitung

Prozess:Nach Vergewaltigung im Alten Botanischen Garten: 19-Jähriger muss ins Gefängnis

Er hat im vergangenen August eine junge Frau überfallen - sie ist bereits dreimal Opfer sexueller Übergriffe geworden.

Von Andreas Salch

Erst als der Polizist einmal in die Luft schoss, blieb der nun Angeklagte stehen. Es war kurz nach zwei Uhr am Morgen des 23. August vergangenen Jahres. Zwei Streifenwagenbesatzungen rasten in die Sophienstraße am Alten Botanischen Garten. Sie nahmen den jungen Mann fest, dem ihr Kollege hinterhergerannt war. Der 19-Jährige hatte am Neptunbrunnen eine Frau vergewaltigt. Am Freitag kauerte der nur 1,61 Meter große schmächtige Schüler mit zusammengezogenen Augenbrauen auf der Anklagebank vor einem Jugendschöffengericht am Amtsgericht München. In einer Erklärung, die seine Verteidigerin, Rechtsanwältin Garina Hamel, verlas, bekannte er sich zu der Tat.

Der Angeklagte kannte sein Opfer vom Sehen. Obwohl die 18-Jährige Deutsche ist, schlief sie, wie ein Kriminalpolizist berichtete, vor der Tat öfters in Asylbewerberheimen, ebenso wie der Schüler, der aus Afghanistan stammt. Die junge Frau, so der Ermittler, übernachte nach wie vor in Unterkünften für Asylsuchende, verkehre in der "Trinker-Szene" und sei "ständig stark alkoholisiert".

In der Erklärung der Verteidigerin räumte der 19-Jährige ein, er habe sich gedacht: "Da könnte was gehen", als er die junge Frau im Gras habe sitzen sehen. Offenbar streichelte er sie und versuchte sie zu küssen. Doch sie wies ihn ab. Daraufhin packte er sie und zog ihr Hose und Slip herunter. Die Schülerin schrie um Hilfe. "Nur noch fünf Minuten", soll der 19-Jährige gesagt haben. Dann schlug er seinem Opfer zweimal mit der Faust ins Gesicht. Ein Zeuge, der die Hilfeschreie gehörte hatte, alarmierte die Polizei. Zufällig war eine Streifenwagenbesatzung ganz in der Nähe.

Einer der Polizisten rannte in den Alten Botanischen Garten. Als der Angeklagte ihn gesehen habe, so der Beamte, habe dieser sich die Hose hochgezogen und sei davongerannt. Erst nach dem Warnschuss sei er wie "versteinert" stehen geblieben. Vor der Tat war der 19-Jährige laut seiner Erklärung mit einem Freund in der Gegend um den Hauptbahnhof unterwegs. Im Laufe des Abends habe er eine halbe Flasche Wodka getrunken und mit seinem Freund drei bis vier Joints geraucht.

Etwa eine Stunde vor der Tat hatte eine Streife die Schülerin auf der Straße angesprochen, da sie so betrunken war. Die Beamten rieten ihr nach Hause zu gehen. Ein bei ihr nach der Vergewaltigung durchgeführter Atemalkoholtest ergab 1,1 Promille. Um Spuren zu sichern, hätte sich die Schülerin von einer Gynäkologin untersuchen lassen sollen. Dazu war sie jedoch erst bereit, nachdem die Kriminalpolizei einen gerichtlichen Beschluss erwirkt hatte. Die junge Frau ist bereits dreimal Opfer sexueller Übergriffe geworden.

Staatsanwältin Melanie Rochner fand in ihrem Plädoyer deutliche Worte. Dies sei ein "krasser Fall, wie ich ihn auch nicht täglich habe". Was an Sexualdelikten spät nachts im Alten Botanischen Garten passiere, sei unerträglich, so Rochner. Der Angeklagte habe eine betrunkene Frau im öffentlichen Raum "überfallartig angegangen und vergewaltigt". Da bei dem 19-Jährigen Reifeverzögerungen vorlägen, sprach sie sich für die Anwendung von Jugendstrafrecht aus und forderte zwei Jahre und zehn Monate Haft.

Rechtsanwältin Hamel, sagte, das Opfer habe ein "Problem in ihrer Person". Sie wolle das Mädchen nicht schlecht machen, aber an der Tat sei nicht nur der Angeklagte schuld. In seinem letzten Wort zeigte der Schüler Reue, löste bei den Verfahrensbeteiligten aber Erstaunen aus, als er sagte: "Ich habe nicht damit gerechnet, dass in diesem Land solche Sachen so weit vor Gericht gelangen." Zwei Jahre und sechs Monate Haft wegen Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung lautete das Urteil. Die Vorsitzende Richterin stellte klar: Das Opfer habe durch sein Verhalten nichts zu der Tat beigetragen.

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SZ vom 09.04.2018/infu
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