Mode kann schön sein, aber auch weh tun. Das hat jetzt weniger mit schmerzhaften Farbzusammenstellungen oder krassen Kombinationen zu tun. Vielmehr sprang einer Kundin bei der Anprobe in einem Outlet-Store das Preisschild buchstäblich ins Auge. Das Preisschild sei nicht gesichert und somit gefährlich gewesen, behauptete die Kundin und zog vor Gericht. Das Geschäft müsse gesondert auf das Vorhandensein von Preisschildern an der Kleidung hinweisen. Die 29. Zivilkammer am Landgericht München I konterte mit Adjektiven wie „lebensfremd“ und „nicht zumutbar“, und wies die Klage ab.
Es war ein Shopping-Tag im April letztes Jahr, als die Frau in einem Outlet ein T-Shirt überstreifte. Dabei schlug ihr das Preisetikett so unglücklich ins rechte Auge, dass es erheblich verletzt wurde: Es habe eine Hornhauttransplantation vorgenommen werden müssen, erklärte die Frau vor Gericht. Bis heute leide sie unter Schmerzen, ihre Sicht sei eingeschränkt und das Auge äußerst lichtempfindlich.
5000 Euro Schmerzensgeld wollte die Frau einklagen, weil ja der Outlet-Store schuld sei. Der habe die ihm obliegenden Verkehrssicherungspflichten verletzt. Das Preisschild sei in seiner Ausgestaltung „aufgrund fehlender Sicherung und Erkennbarkeit gefährlich gewesen“.
Im Modeladen war man darüber etwas verwundert, derartige Fälle seien noch nie vorgekommen. Bei dem Etikett handle es sich um ein übliches Standardpreisschild in der Größe von neun auf fünf Zentimeter mit abgerundeten Ecken. „Die Preisschilder sind durch ihre Größe und das Gewicht des Bündels deutlich fühlbar gewesen“, ließ der Outlet-Store verlauten.
Der Outlet-Store habe seinen Pflichten Genüge getan, findet das Gericht
Tatsächlich konnte auch das Landgericht „unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt“ einen Anspruch auf Schmerzensgeld feststellen. Sichernde Maßnahmen seien nur in dem Maße geboten, „in dem sie ein umsichtiger und verständiger, in vernünftigen Grenzen vorsichtiger Mensch für notwendig und ausreichend hält, um andere vor Schäden zu bewahren“. Der Geschäftsbetreiber sei da nicht „für alle denkbar entfernten Möglichkeiten eines Schadenseintritts“ in die Pflicht zu nehmen. Vielmehr müsse sich der Kunde vor erkennbaren Gefahrenquellen selbst schützen.
Und in diesem Fall, so urteilte die 29. Zivilkammer, habe der Outlet-Betreiber den an ihn gerichteten Verkehrssicherungspflichten Genüge getan. Das Vorhandensein eines Preisschildes sei für die Kundin erwartbar gewesen. Es sei zumutbar gewesen, dass die Frau beim Anprobieren der Kleidung „eigene Sicherheitsvorkehrungen“ treffe. „Und nach allgemeiner Lebenserfahrung“, erklärte das Gericht zudem, „wirft ein Kunde bereits vor der Anprobe einen Blick auf das Preisschild.“ Er könne daher ohne Weiteres selbst dafür sorgen, sich bei der Anprobe nicht zu verletzten. Nach Angaben von Cornelia Kallert, Pressesprecherin am Landgericht München I, ist das Urteil nicht rechtskräftig.