Prozess:Mann soll Minderjährige über Videochat missbraucht haben

  • Ein 33-Jähriger soll über Skype Kontakt zu minderjährigen Mädchen hergestellt und Vertrauen zu ihnen aufgebaut haben.
  • Er überredete sie laut Anklageschrift zu sexuellen Handlungen und filmte sie dabei. Später erpresste er sie demnach mit dem Material.
  • Die Ermittler fanden auf seinem Rechner außerdem kinderpornografische Bilder.

Von Thomas Hürner, Dachau

Seinen Blick hatte der Angeklagte starr nach vorne gerichtet, die Arme hielt er über eine Stunde lang verschränkt. Er war regungslos, wirkte aber nicht sonderlich nervös. Erst als sein Anwalt aus dem Nebenzimmer zurück in den Sitzungssaal kam, zeichneten sich im Gesicht des 33-Jährigen die ersten Emotionen ab, womöglich aufgrund seiner leisen Hoffnung auf ein mildes Urteil. Zumindest vorerst wird daraus jedoch nichts. Das Rechtsgespräch zwischen Richter Daniel Dorner, der Staatsanwältin, einem Nebenkläger und der Verteidigung blieb ohne Ergebnis, die Verhandlung wurde bis Ende Januar ausgesetzt.

"Eine Verständigung konnte unter diesen Voraussetzungen nicht erfolgen", sagte Dorner. Weitere Details wollte er aber nicht preisgeben. Und so verblieb die Verlesung der Anklageschrift als der einzige Einblick in jene Strategie, die sich der Mann ausgedacht hat, um seine sexuellen Neigungen zu befriedigen. Ihm werden unter anderem der Besitz von Kinderpornos sowie sexueller Missbrauch und sexuelle Nötigung von Kindern vorgeworfen - und weil sich seine Strategie bei seinen jungen Opfern anscheinend als sehr effizient erwies, benötigte die Staatsanwältin etwa eine halbe Stunde, bis sie die detaillierte Anklageschrift vorgelesen hatte.

Demnach verfuhr der Dachauer, der inzwischen nach München gezogen ist, nach einem immer gleichen Muster: Laut Anklageschrift hatte er Vertrauen zu den Mädchen aufgebaut, sie mit Komplimenten umgarnt. Dann soll er mit ihren Gefühlen gespielt und sie auf diese Weise gefügig gemacht haben. Den Kontakt zu ihnen habe er über die Internet-Chatplattform Skype hergestellt, dort soll er ein wenig mit ihnen geschrieben haben. Schon bald ließen sie sich auf Unterhaltungen per Videoübertragung ein. Alle Vorwürfe sind aus dem Jahr 2015, ein Mädchen war damals 13, das andere 15 Jahre alt. Zum dritten Mädchen lagen hinsichtlich des Alters keine Informationen vor.

Der Angeklagte, auf dessen Laptop und Tablet mehrere kinderpornografische Fotos und Videos gefunden wurden, darunter auch welche mit etwa fünfjährigen Jungen, forderte die Mädchen laut Anklageschrift dazu auf, sexuelle Handlungen an sich selbst vorzunehmen. Er selbst habe auf dem Bildschirm verfolgt, wie seinen Wünschen nachgekommen wurde, und auch die Mädchen hätten sich mit ansehen müssen, wie sich der Angeklagte selbst befriedigte. Wenn sie sich nicht gerade in einem Videochat befanden, so die Anklage, dann schickte er den Mädchen vulgäre Nachrichten und Nacktfotos von sich. Aus den Chatprotokollen ging hervor, dass sich eines der Mädchen sogar in den Angeklagten verliebt hatte.

Trotzdem merkten alle drei Mädchen recht schnell, dass irgendetwas nicht stimmte. Doch als sie sich weigerten, weiter auf die Wünsche des Mannes einzugehen, soll er das bereits Geschehene gegen sie verwendet haben. Er soll ihnen gedroht haben, die Videos, die er parallel aufgenommen hatte, zu veröffentlichen oder an Bekannte zu schicken. Mit dieser Drohung soll er sich wiederum neues Material verschafft haben. Die Mädchen schämten sich.

Einmal sei der Angeklagte sogar so weit gegangen, dass er mit einer Freundin von einem der Mädchen Kontakt aufnahm. Er schickte dieser offenbar die Videos, die das Mädchen bei sexuellen Handlungen zeigen. Bei einem anderen Mädchen - jenem, das sich in ihn verliebt hatte - meldete er sich mit einem anderen Pseudonym und soll ihr gedroht haben, dass er das Bildmaterial an ihre große Liebe schicken werde, wenn sie nicht tue, was er will. Der Prozess wird fortgesetzt.

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