Süddeutsche Zeitung

Prozess:Mann raubt Bank aus, angeblich um ins Gefängnis zu kommen

  • Der Angeklagte Sinan K. hatte im November 2016 eine Sparkassenfiliale an der Ingolstädter Straße überfallen, 4400 Euro erbeutet und den Bankangestellten gedroht, eine Bombe zu zünden.
  • Laut eigener Aussage stand er zum Tatzeitpunkt unter erheblichem Alkoholeinfluss und handelte aus Angst, in die Türkei abgeschoben zu werden.

Von Andreas Salch

Sinan K. wollte angeblich unbedingt ins Gefängnis, aus Angst, in die Türkei abgeschoben zu werden. Aus diesem Grund überfiel er am 16. November vergangenen Jahres gegen 14 Uhr die Sparkassenfiliale an der Ingolstädter Straße. Tatsächlich machte er es der Polizei einfach. Er wurde noch am Tatort festgenommen. Nachdem er das Geldinstitut verlassen hatte, war er zurück auf die Ingolstädter Straße gelaufen. In der rechten Hosentasche trug er seine Beute aus dem Überfall, 4400 Euro.

Polizisten, die inzwischen alarmiert worden waren, rannten an ihm vorbei und kamen wieder zurück. In diesem Augenblick sagte Sinan K. zu ihnen: "Ich bin der Richtige." Das Geld habe er gar nicht gewollt, behauptete der 38-Jährige am Mittwoch vor der 12. Strafkammer am Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft hat Anklage wegen schweren Raubes erhoben.

"Ich wollte keiner Person Schaden zufügen", versicherte der Angeklagte Richter Frank Zimmer. Bei dem Überfall wurde zwar niemand verletzt. Jedoch versetzte Sinan K. vier Bankangestellten, am Schalter der Filiale, in Angst und Schrecken. Als er vor ihnen stand, hatte er sie angeschrien: "Her jetzt mit dem Geld, sonst spreng ich euch alle hoch!" Dabei fasste der 38-Jährige sich an den Bauch und tat so, als trage er einen Sprengstoffgürtel, den er mit seinem Handy fernzünden könne, das er in der anderen Hand hielt.

Während des Überfalls hatte K. den Sparkassen-Mitarbeitern noch mehrmals gedroht, sie in die Luft zu sprengen. Doch in Wirklichkeit trug er keinen Sprengstoffgürtel. Er hatte sich nicht einmal vermummt. "Ich hatte nicht vor, das durchzuziehen. Ich wollte nur so tun, als ob es ein Banküberfall wäre." Die Bankangestellten konnten dies nicht wissen. Sie fühlten sich bedroht. Eine Frau unter ihnen ist bis heute traumatisiert.

Sinan K. sagte bei seiner Vernehmung, er habe vor der Tat acht bis zehn Dosen Bier sowie acht Fläschchen Magenbitter getrunken und nicht gefrühstückt. Er leide unter ADHS und habe das Medikament einige Zeit schon nicht mehr genommen. In diesem Zustand entscheide er sich sehr spontan. Geplant sei die Tat nicht gewesen. Es sei ihm einfach so "in den Sinn gekommen".

In den Tagen vor der Tat habe er sich Gedanken gemacht, was aus ihm werden soll. Er sei Anhänger der Gülen-Bewegung, die seit dem Putschversuch in der Türkei im Sommer vorigen Jahres verfolgt werde. Deshalb sei er im Herbst 2016 in die Bundesrepublik gekommen, wo seine Mutter lebe, und habe einen Asylantrag gestellt. In der Asylunterkunft an der Heidemannstraße, wo er zuletzt gewohnt habe, habe er erlebt, dass die Polizei nachts komme und "Leute mitgenommen" habe.

"Ich hatte Angst von heute auf morgen abgeschoben zu werden", so K. In der Türkei drohe ihm eine schlechte Behandlung. Er habe Angst vor Folter, die Justiz könne mit einem machen, was sie wolle. Vier seiner Kollegen seien, bevor er sich nach Deutschland abgesetzt habe, festgenommen worden. Er habe sich gefragt, was er machen könne, damit ihm nicht auch dieses Schicksal widerfährt. Natürlich sei er sich bewusst gewesen, dass er nach einer Verurteilung irgendwann abgeschoben werde. Bis dahin aber würden einige Jahre vergehen. Und vielleicht habe sich bis dahin die politische Lage in seiner Heimat wieder geändert, meinte der 38-Jährige.

Richter Frank Zimmer entgegnete, diese Geschichte überzeuge ihn nicht. Dass eine angeblich drohende Ablehnung des Asylantrags der Grund für den Banküberfall gewesen sein soll, "kann ich nicht nachvollziehen". Es habe ja noch gar kein Ablehnungsbescheid vorgelegen, so der Vorsitzende. Der Prozess dauert an.

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SZ vom 23.03.2017/libo
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