Süddeutsche Zeitung

Prozess:Tödliche Wette: Mann springt in Isar und ertrinkt

  • Am 22. Mai 2015 ist ein 22-Jähriger in der Isar ertrunken.
  • Zwei seiner Kollegen wurden jetzt vom Gericht wegen unterlassener Hilfeleistung verurteilt.
  • Sie hatten offenbar mit ihm gewettet, ob er sich traue, in den Fluss zu springen.

Von Andreas Salch

Sie waren einmal Arbeitskollegen und hielten zusammen. Immer. Egal, was passierte. So auch am 22. Mai 2015. An diesem Tag arbeiteten die drei Gleisbauer Dennis G., Adem I. und Zlatko P. auf der Braunauer Eisenbahnbrücke nahe dem Tierpark. Ihr Kollege Stefan D. kam zu spät, er soll angetrunken gewesen sein. Mindestens einer der Männer soll mit dem 22-Jährigen gewettet haben, ob er sich traue, von der Brücke mehrere Meter tief in die reißende Isar zu springen.

Der Fluss führte gerade Hochwasser. Stefan D. sprang. Obwohl Dennis G. und Adem I. gesehen haben sollen, was passiert war, arbeiteten sie einfach weiter, als sei nichts geschehen. Selbst als sie bemerkt haben sollen, dass sich Stefan D. in einer hilflosen Lage befand und zu ertrinken drohte, soll keiner von ihnen eingeschritten sein. Nicht einmal einen Notruf setzten sie ab. Drei Wochen nach dem Vorfall wurde Stefan D.s Leiche an der Corneliusbrücke gefunden.

An diesem Dienstag mussten sich Dennis G. 33, Adem I., 39, und ihr damaliger Vorarbeiter Zlatko P., 60, vor dem Amtsgericht München verantworten. Die Staatsanwaltschaft legte ihnen unterlassene Hilfeleistung zur Last. Was in der Anklage steht, klingt ungeheuerlich. Nachdem Stefan D. verschwunden war, hatte seine Mutter eine Vermisstenanzeige gestellt. Angeblich wussten die Angeklagten davon. Dennoch sagte zunächst keiner von ihnen, dass Stefan D. von der Brücke in die Isar gesprungen war. Stattdessen sollen die Männer eine verhängnisvolle Verabredung getroffen haben. Sollte man sie fragen, was mit Stegfan D. passiert sei, wollten sie einfach sagen, sie hätten ihn an jenem 22. Mai nach Hause geschickt "und dann nichts mehr von ihm gesehen", heißt es in der Anklage der Staatsanwaltschaft.

Dennis G. hielt es jedoch nicht mehr aus. Die Bilder, die er von dem Geschehen in seinem Kopf hatte, ließen ihn nicht mehr los. "Das hat auf meinem Gewissen herumgetanzt. Ich habe nicht mehr schlafen können", sagte der 33-Jährige vor Gericht. Etwa zwei Wochen nach dem Vorfall hatte er zuerst seiner Lebensgefährtin davon erzählt. Dann stellte er sich der Polizei.

Adem I. und Zlatko P. sagten selbst nichts zu den Vorwürfen aus der Anklage. Sie ließen über ihre Verteidiger eine Erklärung abgeben. Dass Stefan D. die Wette von der Brücke zu springen annimmt und "ernst" macht, habe ihr Mandant nicht gedacht, sagte Adem I.s Verteidigerin, Rechtsanwältin Füsun Yavuz. Der Angeklagte habe gehofft, dass Stefan D. sich an einem der Pfeiler der Wittelsbacher Brücke flussabwärts werde festhalten und aus dem Wasser steigen können. Der 22-Jährige soll ein guter Schwimmer gewesen sein.

Adem I. hat nach dem Tod von Stefan D. seinen Job als Gleisbauer gekündigt. Er arbeitet inzwischen als Möbelpacker. Der 39-Jährige, so seine Verteidigerin, sei "mit der ganzen Situation und seinem Gewissen nicht mehr klar gekommen." Auch Dennis G. hat einen anderen Job. Zlatko P. gab über seinen Verteidiger Thomas Schales an, dass er "Stefan D. nicht in der Isar gesehen hat." Sein Mandant habe sich auch in den folgenden Tagen "keine Gedanken gemacht", wo der 22-Jährige sei.

Wie Stefan D. zu Tode kam, ist bis heute nicht geklärt. Als seine Leiche gefunden wurde, hatte sich die Lunge aufgrund der langen Zeit im Wasser schon zersetzt. Ob er betrunken war, ließ sich ebenfalls nicht mehr sicher beantworten. "Alle drei haben nichts getan", warf der Staatsanwalt den Angeklagten in seinem Plädoyer vor. Er forderte für jeden der Männer eine Bewährungsstrafe zwischen sechs und sieben Monaten. Am Ende verurteilte das Gericht Dennis G. und Adem I. wegen unterlassener Hilfeleistung zu Geldstrafen in Höhe von 4500 Euro sowie 3750 Euro. Zlatko P. wurde freigesprochen.

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SZ vom 26.04.2017/eca
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