Verhandlung:Deutscher Arzt streitet mit Frankreich um gestohlene Madonna

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  • Ein deutscher Arzt will eine Madonna in London versteigern lassen. Dabei stellt sich heraus: Die Statue ist vor Jahrzehnten aus einer Kirche in Thoisy-le-Désert gestohlen worden.
  • Das Auktionshaus Sotheby's möchte die Madonna so lange nicht zurückgeben, bis die rechtlichen Fragen geklärt sind.
  • Anwälte und Landgericht München wollen nun die Situation gemeinsam mit dem französischen Kultusministerium klären.

Aus dem Gericht von Stephan Handel

Thoisy-le-Désert ist ein kleines Kaff im Osten Frankreichs, knapp 50 Kilometer westlich von Dijon, wo der Senf herkommt. Es gibt dort ein bisschen mehr als 200 Einwohner und eine schöne Kirche aus dem zwölften Jahrhundert. In ihr vermissen die Bürger, die sich noch daran erinnern können, seit mehr als 40 Jahren eine Statue, eine romanische Maria - sie wurde 1976 gestohlen. Nun ist sie aufgetaucht, in London. Beziehungsweise in Wiesbaden. Oder eigentlich in München.

Im Justizpalast am Stachus erscheint am Donnerstag kurz vor Mittag Professor Dr. Paul Roberts (Name geändert), ein Mann, dem man den Erfolg im Leben auch jetzt noch ansieht, auf die 80 Jahre geht er zu. Er ist Mediziner, hat in München studiert, und als er habilitierte, da schenkte ihm seine Mutter eine romanische Madonna, gut einen Meter hoch, "Sedes sapientiae", der Sitz der Weisheit - so bezeichnet die Kunstgeschichte Darstellungen der Muttergottes mit dem Jesusknaben, der die Weisheit verkörpern soll. Gekauft hatte Roberts Mutter die Figur bei einem Münchner Kunsthändler, bei welchem, weiß er nicht, und auch nicht, was sie gekostet hat, war ja ein Geschenk. Er glaubt sich zu erinnern, dass das 1975 war - das allerdings ist unmöglich, denn Roberts Madonna ist genau jene, die in Thoisy-le-Désert gestohlen wurde. 1975 stand sie allerdings noch dort in der Kirche. Na ja, sinniert er - vielleicht hat er sie ja doch 1976 bekommen, wer soll das schon noch wissen nach so langer Zeit.

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Roberts zog herum in Deutschland, wie das erfolgreiche Wissenschaftler so tun, immer hatte die Statue ihren Platz im Wohnzimmer. Vor drei Jahren dachte er darüber nach, sie zu verkaufen - "in meinem Alter fängt man an aufzuräumen". Er nahm Kontakt zum Auktionshaus Sotheby's in London auf und lieferte sie dort zur Versteigerung ein. Dafür bezahlte er zunächst gut 1700 Euro, für den Transport und für die Abbildung im Katalog. Für den 10. Dezember 2015 war die Auktion angesetzt, bei 30 000 Euro sollte die Statue aufgerufen werden. Einen Monat vorher jedoch kam eine E-Mail aus London: Das Stück könne nicht verkauft werden, der französische Staat habe sie auf einer dafür eingerichteten Internetseite als gestohlen registriert.

Von hier an wird's juristisch. Denn einerseits ist es nicht möglich, an gestohlenem Gut Eigentum zu erwerben - andererseits aber doch, nämlich durch den Vorgang der so genannten Ersitzung: Wenn jemand etwas kauft, ohne zu wissen, dass es gestohlen ist, und wenn zehn Jahre lang niemand Anspruch erhebt, dann geht die Ware in das Eigentum der Käufers über. Dass weder Roberts noch seine Mutter von der illegalen Herkunft der Madonna gewusst haben, glaubt im Gerichtssaal jeder. Dann allerdings gibt es noch die Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Sotheby's.

In denen steht, dass das Auktionshaus eingelieferte Stücke nicht zur Versteigerung bringt, wenn rechtliche Fragen, das Eigentum betreffend, ungeklärt sind - dass das entsprechende Stück in diesem Fall aber auch nicht an den Einlieferer zurückgegeben wird, bis die Fragen geklärt sind. Roberts beziehungsweise sein Anwalt sagen, dass sie das ja gern klären würden - dass aber der französische Staat nicht so recht in die Gänge kommt, vor allem noch keinen Vorschlag für eine gütliche Einigung gemacht hat.

Das bringt die Landgerichts-Richterin in gelinde Verzweiflung: Nach der Rechtslage würde Sotheby's die Klage auf Herausgabe wohl gewinnen. Damit aber ist niemanden geholfen, weil die Statue dann weiterhin in London im Archiv liegen würde, solange Frankreich sie nicht haben will. Anwälte und Richterin einigen sich schließlich darauf, mit einer gerichtlichen Frist im Rücken zu versuchen, das französische Kultusministerium in Bewegung, womöglich an einen Verhandlungstisch zu bekommen. Der Sotheby's-Anwalt erklärt, dass das Auktionshaus eventuell die Transportkosten von London nach Thoisy-le-Désert übernehme. Paul Roberts wirkt nach der Verhandlung erleichtert, aber auch traurig: "Man hat sich über so viele Jahre doch an das Stück gewöhnt."

© SZ vom 30.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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