Prozess:"Lückenhaft dargetan"

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Gericht muss nach Einspruch aus Karlsruhe erneut über versuchten Mord verhandeln

Von Andreas Salch

Ein rechtskräftig verurteilter Dieb ist Andreas C., so viel steht fest. Aber hat er auch versucht, eine Rentnerin aus Ottobrunn zu ermorden? Am 7. Dezember 2017 war der 25-jährige Hausmeister von der 2. Strafkammer am Landgericht München I wegen Raubes, gefährlicher Körperverletzung sowie wegen versuchten Mordes und vier Diebstählen in Ottobrunn zu insgesamt acht Jahren Haft verurteilt worden. Den versuchten Mord hatte C. bis zuletzt bestritten. Als der Vorsitzende Richter ihm am Ende der Verhandlung erklärte, er könne gegen das Urteil über seinen Verteidiger, Rechtsanwalt Florian Wurtinger, Revision einlegen, nickte C. Etwa vier Monate später wurde die Entscheidung vom Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe teilweise aufgehoben. Die Revision der Verteidigung hatte Erfolg. Seit diesem Dienstag muss sich deshalb eine andere Strafkammer am Landgericht München I erneut mit dem Fall beschäftigen.

Es war am frühen Abend des 10. März 2016, als es an der Tür einer gehbehinderten 86-jährigen Rentnerin in Ottobrunn klingelte. Die Seniorin sah gerade fern. Da sie dachte, ein Verwandter komme sie besuchen, öffnete sie die Türe. Vor ihr habe jedoch ein "komplett schwarz" gekleideter Mann gestanden, berichtete sie später einem Kriminalpolizisten. Der Unbekannte war maskiert. Sofort soll er auf die 86-Jährige eingeschlagen haben, so dass sie taumelte, fiel und mit dem Hinterkopf gegen eine Vase aus Steingut prallte. Die Rentnerin fing stark zu bluten an. Vergeblich versuchte sie noch den Eindringling am Fuß festzuhalten, bevor sie schließlich das Bewusstsein verlor.

Andreas C. soll daraufhin die Wohnung der alten Dame nach Wertsachen durchwühlt und einige Schmuckstücke entwendet haben. Mit der Beute habe der Angeklagte Schulden begleichen und seiner Wettleidenschaft frönen wollen, hieß es in der Urteilsbegründung vom Dezember 2017. Da Andreas C. beim Verlassen der Wohnung gesehen haben müsse, dass die 86-Jährige stark blutete, so die Richter in der ersten Instanz, habe er damit rechnen müssen, dass die Seniorin etwa durch das Einatmen von Blut sterben könnte. Da er aber seine Beute habe retten wollen, so das Gericht, habe er den Tod der Rentnerin "billigend in Kauf genommen". Aus diesem Grund hatten die Richter die Tat im ersten Prozess als versuchten Mord durch Unterlassen gewertet. Und dies ist der Punkt, in dem die Verteidigung mit ihrer Revision Erfolg hatte. Nach Überzeugung der Richter des 1. Strafsenats am BGH sei in der Urteilsbegründung nur "lückenhaft dargetan", warum es sich um eine "Unterlassungstat" handeln soll.

Andreas C. machte zum Auftakt des zweiten Prozess einen gelösten Eindruck. Auch diesmal vertritt ihn Rechtsanwalt Florian Wurtinger. Bei der Verlesung der Anklage verdrehte der 25-Jährige immer wieder die Augen, legte die Stirn in Falten oder schüttelte verständnislos den Kopf. Über seinen Verteidiger ließ er erklären, dass er weder Angaben zu seiner Person noch zu der Tat machen werde. Diese, so sein Verteidiger, werde nach wie vor bestritten. Am Tatort hatten Ermittler der Kriminalpolizei eine Vielzahl von DNA-Spuren des 25-Jährigen gefunden. Andreas C. und sein mutmaßliches Opfer kannten sich jedoch. Unter anderem hatte sich C. um den Garten der 86-Jährigen gekümmert.

Ein Urteil in dem Prozess wird für Ende Februar erwartet.

© SZ vom 20.02.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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