Prozess:Warum zwei Fußballfans 108,30 Euro vom Staat bekommen

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Die Richter mussten darüber verhandeln, wie viel Entschädigung die Männer erhalten, die am Flughafen besonders kontrolliert wurden und deshalb ihre Maschine verpassten.

Von Stephan Handel

"Machma einfach halbe-halbe", sagt Frank Tholl, der Vorsitzende Richter, und das zeigt vielleicht schon, dass es nicht um viel geht an diesem Mittwoch am Landgericht München I. Aber immerhin: Weil es um Amtshaftung geht und das Gerichtsverfassungsgesetz dafür das Landgericht für zuständig erklärt, sitzt nun also Tholl mit einer Richterkollegin und einem -kollegen sowie zwei Anwälten zusammen. Um über 270 Euro zu verhandeln.

Es geht um einen Vorfall vom 2. September 2016 am Münchner Flughafen. Zwei Tage später sollte die Fußball-Nationalmannschaft in Oslo gegen Norwegen antreten, bei diesem EM-Qualifikationsspiel wollten auch deutsche Fans mitfiebern. Allerdings schaute sich ein so genannter Fan-Beamter der Polizei an dem Gate um, und entdeckte unter etwa 30 Fußballfans mehrere, die ihm als gewalttätig bekannt waren. Die Bundespolizei rückte an zur Personenkontrolle, fand sieben Verdächtige und nahm die zur weiteren Überprüfung mit auf die Wache. Diese dauerte bis kurz vor 15 Uhr, da war der Flieger natürlich weg.

In dem Verfahren vor dem Landgericht verlangten nun zwei der Kontrollierten von der Polizei, also von der Bundesrepublik, den Ersatz von Flugtickets und Aufwendungen, jeweils um die 130 Euro. Die Aufwendungen gibt es schon mal nicht, sagt Richter Tholl. Dann aber könnte es - rechtlich - schwierig werden: Einer der Kläger ist eingetragen in der polizeilichen Datei "Gewalttäter Sport", die aber nichts mit tatsächlichen Taten zu tun haben muss - in der Datei kann auch landen, wer zum Beispiel einer Personenkontrolle am Rand einer Fan-Schlägerei unterzogen wird, ohne an der Schlägerei beteiligt zu sein.

Beim zweiten Kläger meinte der Fan-Beamte Hooligan-typische Kleidungsstücke gesehen zu haben, was für sich genommen auch schwerlich ein Ausreise-Verbot nach dem Passgesetz rechtfertigen dürfte. Andererseits: Bei der Durchsuchung des Gepäcks fanden die Beamten Stadion-Tickets für das Spiel, auf denen jedoch andere Namen standen als die der Kläger, ein Vorgehen, das Fußballfans eher selten an den Tag legen, wenn sie nur am Spiel interessiert sind und nicht am Kennenlernen anderer Fangruppen auf die gewalttätige Art.

Es müsste also umfangreich Beweis erhoben werden, um herauszufinden, ob das Vorgehen der Polizei rechtens war. Dann schlägt der Richter fifty-fifty vor, und beide Anwälte stimmen sofort zu. Nun bekommt der eine Kläger 56,55 Euro aus der Staatskasse, der andere 51,75 - Unentschieden also, anders als die DFB-Elf, die das Spiel 3:0 gewann.

© SZ vom 31.05.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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