Prozess:Klinikum Großhadern wusste seit 2012 von Vorwürfen gegen Hebamme

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  • Der frühere Arbeitgeber der Frau informierte bereits 2012 das Klinikum Großhadern: Regina K. soll bereits in Bad Soden Gebärenden Blutverdünner gegeben haben.
  • Die Hebamme wies damals die Vorwürfe zurück. Ihr konnte nicht gekündigt werden, da sie die Probezeit bereits bestanden hatte.
  • Obwohl sie unter Beobachtung stand, kam es auch in München zu weiteren Fällen.

Von Christian Rost

Die wegen des siebenfachen Mordversuchs an schwangeren Frauen angeklagte Hebamme Regina K. geriet am Klinikum Großhadern bereits frühzeitig unter Verdacht, konnte aber nicht gekündigt werden, weil sie schon die Probezeit bestanden hatte. Dies berichtete am Dienstag der damalige Direktor der Universitätsfrauenklinik, Klaus Friese, im Zeugenstand des Münchner Schwurgerichts.

K. hatte zuvor im Krankenhaus im hessischen Bad Soden gearbeitet und soll dort mit blutverdünnenden Medikamenten drei Frauen in Lebensgefahr gebracht haben - über die Vorfälle informierte der dortige Chefarzt der Gynäkologie im September 2012 seine Münchner Kollegen. Friese sagte, er habe beim Lesen des Briefs einen "Schreck" bekommen. Im Nachhinein verstehe er nicht, weshalb die Hebamme nicht schon von ihrem früheren Arbeitgeber angezeigt worden war.

Schließlich habe sie Schwangeren Medikamente in zehnfach erhöhter Dosis verabreicht; wie ein "Schuss" wirke eine solche Dosierung, sagte Friese. In Bad Soden hatte die Klinik stattdessen mit K. vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich geschlossen und ihr ein Zeugnis mit der Note "gut" ausgestellt. Friese fand das "seltsam". Im Juli 2012 trat sie ihre Stelle in der Geburtshilfe in Großhadern an.

Wie das Klinikum auf die Nachricht reagierte

Durch den Brief aus Bad Soden alarmiert führte Frieses Stellvertreter ein Gespräch mit der Hebamme, in dem sie die Vorwürfe zurückwies. Für Friese war dennoch klar: "Wir müssen handeln und auf die Hebamme achten." Man habe Regina K. auch mitgeteilt, dass sie unter Beobachtung stehe. Ihre Kolleginnen in Großhadern, die über ein Berufsnetzwerk von den Vorwürfen erfahren hätten, seien beunruhigt gewesen.

Laut Anklage blieb Regina K. bis April 2014 in Großhadern unauffällig. Dann jedoch kam es binnen zweier Monate zu schweren Komplikationen bei Schwangeren, die per Kaiserschnitt entbunden hatten. Aus medizinisch nicht nachvollziehbaren Gründen verloren die Frauen bei oder nach den Eingriffen große Mengen Blut. Teils musste das Leben der Patientinnen durch Nachoperationen gerettet werden.

Friese sagt: "Wenn wir die Patientinnen nicht so gut überwacht hätten, hätten sie eventuell nicht überlebt." Die Klinikleitung stellte schließlich fest, dass Infusionen der Blutverdünner Heparin beigemischt worden war. Und dass nur die 35-jährige Regina K. in allen vier Fällen im Kreißsaal Dienst hatte. Im Juli 2014 erstattete die Klinik schließlich Strafanzeige.

Die Angeklagte äußerte sich vor Gericht bislang nicht, hatte aber zu einer Gefängnispsychiaterin gesagt, dass der Vorwurf, sie habe Menschen töten wollen, für sei ein "Worst-Case-Szenario" sei. Da sie gläubig sei, so K. weiter, nehme sie ihr "Schicksal an, wie es kommt". Die Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass K. die Taten "zur insgeheimen Demonstration einer Überlegenheit" begangen hat. Der Prozess wird fortgesetzt.

© SZ vom 20.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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Prozess
:Hebamme soll Frauen bei der Entbindung Blutverdünner verabreicht haben

Regina K. brachte damit mindestens neun Schwangere in Lebensgefahr. Die Münchner Staatsanwaltschaft vermutet, dass sie so ihr Selbstwertgefühl aufwerten wollte.

Von Christian Rost

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