Prozess:Kind hat Down-Syndrom - Eltern klagen vergeblich gegen Klinik

Rechtsstreit um Geburt eines behinderten Kindes

Rechtsstreit um Geburt eines behinderten Kindes: der beklagte Arzt beim Prozess im Gerichtssaal.

(Foto: dpa)
  • Eine an Multiple Sklerose erkrankte Schwangere wendet sich an ein pränataldiagnostisches Zentrum. Die Ärtze stellen keine Krankheiten beim ungeborenen Kind fest.
  • Nach der Geburt werden das Down-Syndrom und ein komplexer Herzfehler diagnostiziert.
  • Die Eltern fordern Schmerzensgeld, scheitern aber vor Gericht.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Jasmina hatte an diesem Donnerstagnachmittag keine Ahnung, dass sie in der ungewohnten Umgebung im Mittelpunkt stehen würde. Während das Kind lauthals über den Flur des Oberlandesgerichts München tobte oder sich, gerade frisch gewickelt, die Zeit mit dem größeren Bruder vertrieb, saßen die Eltern der Kleinen vor dem 1. Zivilsenat.

Mutter und Vater betrachten aus juristischer Sicht ihre fast fünf Jahre alte Tochter als "Schaden" und verlangen wenigstens 10 000 Euro Schmerzensgeld von einem pränataldiagnostischen Zentrum. Den Spezialisten dort werfen sie vor, Trisomie 21, also das Down-Syndrom nicht festgestellt und zusätzlich einen komplexen Herzfehler übersehen zu haben. Die Eltern sind mit ihrer Klage aber gescheitert.

Bevor Jasmina kam, hatten die Eltern schon drei gesunde Kinder. 2009 war bei der damals 28-jährigen Mutter Multiple Sklerose festgestellt worden. Zur Behandlung erhielt sie verschreibungspflichtige Medikamente. Als sie im September 2010 eine erneute, eigentlich ungewollte Schwangerschaft bemerkte, wurde sie von ihrem Gynäkologen in das Spezialzentrum überwiesen.

Warum die Eltern geklagt haben

Ihre Sorge galt möglichen Risiken im Hinblick auf Schädigungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes durch die Medikamente, die sie wegen ihrer MS-Erkrankung einnehmen musste. Die Spezialisten konnten aber nichts Besorgniserregendes feststellen. Im Mai 2011 wurde Jasmina durch Kaiserschnitt entbunden. Erst danach wurde das Down-Syndrom festgestellt, Wochen später zusätzlich der Herzfehler, zudem noch pulmonale Hypertonie, eine Gefäßerkrankung.

Die Mutter machte in ihrer Klage deutlich, dass sie bei einer Fehlbildung die Schwangerschaft hätte abbrechen lassen. Die Ärzte hätten sie auf eine Reihe denkbarer Untersuchungen aber nicht hingewiesen und außerdem die Ultraschallbefunde falsch interpretiert. Das Untersuchungszentrum und der Arzt sollten deshalb Schadensersatz wegen der Unterhaltskosten für die behinderte Tochter leisten. Zudem wollten die Eltern Schmerzensgeld.

Die Ärzte wiesen die Vorwürfe zurück. Die Mutter sei ausreichend aufgeklärt gewesen, insbesondere über Möglichkeiten und Grenzen der pränatalen Diagnostik. Auch darüber, dass eine größtmögliche Sicherheit zum Ausschluss einer Chromosomenstörung nur nach einer invasiven Diagnostik wie der Fruchtwasseruntersuchung gegeben sei. Die Klägerin habe die angebotenen weiteren diagnostischen Möglichkeiten aber nicht wahrgenommen.

Warum die Klage abgelehnt wurde

Das Landgericht München I hatte im Juni 2015 die Klage abgewiesen. Die 9. Zivilkammer sah nach der Beweisaufnahme weder Fehler bei der Beratung noch bei den Untersuchungen. Durch eine Verkettung unglücklicher, aber nicht vorwerfbarer Umstände seien weder der Herzfehler noch die Trisomie 21 erkannt worden, sagte das Gericht.

Der 1. OLG-Senat hörte nun in der Berufungsverhandlungen einen Sachverständigen an. Der erklärte dem Senat, dass es bei den Ultraschalluntersuchungen lediglich eine Auffälligkeit gegeben habe: Ein minimal zu kurzes Nasenbein. Dieses Merkmal gehöre theoretisch zwar zu den "Softmarkern" für Trisomie 21 - die Abweichung sei mit maximal 0,2 Millimetern aber am Rande des Normbereichs. Es habe sonst keine erkennbaren Auffälligkeiten gegeben. Die Mutter habe ja auch schon bereits drei gesunde Kinder zur Welt gebracht. Der Sachverständige bescheinigte dem beklagten Arzt, über die gängigen Richtlinien hinaus sehr gründlich untersucht zu haben.

"Sie werden bei uns nicht gewinnen", sagte nach der Beratung denn der Senatsvorsitzende zu den Eltern. Den Beklagten sei kein Fehler nachzuweisen. Die Mutter meinte noch, sie habe sich auf die Spezialisten verlassen, "aber sie verschwiegen mir etwas". "Ich hätte gute Gründe für eine Abtreibung gehabt", sagte sie. Danach wies das Gericht die Berufung zurück. Die Revision wurde nicht zugelassen.

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