Prozess in München:Wenn der Anwalt 5500 Euro pro Stunde berechnet

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"Welcher halbwegs normal denkende Mensch bezahlt schon freiwillig für ein paar Stunden Durchschnittsarbeit 55 846,22 Euro?" Ein Manager klagt gegen die Honorarforderung eines Rechtsanwalts - mit Aussicht auf Erfolg.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Wer einen Rechtsanwalt beauftragen will, sollte dies nicht ohne Anwalt tun: Dieser bizarr anmutende Gedanke ist für einen Münchner Spitzenmanager zur Realität geworden. Vor Gericht wehrt er sich gegen die Rechnung eines Münchner Fachanwaltes, von dem er sich finanziell über den Tisch gezogen fühlt - der Jurist verlange für jede Arbeitsstunde umgerechnet mehr als 5500 Euro, meint er. Auch die Richterin am Landgericht München I hält die Honorarforderung für bedenklich und will nun die Rechtsanwaltskammer einschalten.

Der Kläger, ein Italiener, wurde zum Geschäftsführer eines weltweit agierenden Ingenieurdienstleisters berufen: Die auf Hightech spezialisierte Firma berät etwa Automobil-, Raumfahrt- oder Energiekonzerne. Um seinen gut dotierten Arbeitsvertrag vor der Unterschrift prüfen zu lassen, beauftragte er einen Münchner Arbeitsrechtler. Doch als der ihm dann die Rechnung präsentierte, fiel der Manager aus allen Wolken und ging vor Gericht: "Welcher halbwegs normal denkende Mensch bezahlt schon freiwillig für ein paar Stunden Durchschnittsarbeit eines Rechtsanwalts 55 846,22 Euro", fragt nun sein neuer Anwalt Norman Synek. Dabei hatte der jetzt beklagte Kollege von dieser stattlichen Forderung sogar schon rund 5200 Euro "Sonderrabatt" abgezogen.

Als Italiener fühle er sich weder in der deutschen Sprache noch in deutschem Recht zu Hause, sagt der Manager. Genau deshalb habe er seinen Arbeitsvertrag auch von diesem auf Arbeitsrecht spezialisierten Advokaten prüfen lassen. Den kannte er durch ein früheres Mandat, und auch sein Vorgänger habe sich bei Vertragsbeendigung von diesem Anwalt beraten lassen. Wie schon zuvor habe er einen Stundensatz vereinbaren wollen, der in diesem Fall bei mehr als 290 Euro lag. Das hatte der Anwalt so auch in den vorderen Teil der Vergütungsvereinbarung geschrieben.

"Abschreckendes Beispiel für Rechtshilfesuchende"

Weiter hinten formulierte er dann allerdings eine Passage, derzufolge der Mandant tatsächlich mindestens die doppelte Anwaltsgebühr bezahlen solle - errechnet auf Basis von drei Jahreseinkommen, die zusammen rund 1,5 Millionen Euro plus den Wert eines Maserati Ghibli als Dienstwagen betragen. In seiner Rechnung verlangte der Jurist schließlich gar den 2,5-fachen Gebührensatz, dazu noch eine 1,5-fache "Einigungsgebühr", weil der Vertrag letztlich so geschlossen worden sei.

Als der Manager diese Rechnung nicht akzeptierte und nur einen Teil bezahlte, ließ der Rechtsanwalt sie ihm gleich per Gerichtsvollzieher zustellen. Anwalt Synek nennt das ganze Vorgehen "ein abschreckendes Beispiel für Rechtshilfesuchende". Wohlwollend geschätzt hätte selbst ein anwaltlicher Anfänger für solch einfache Korrekturen an dem Arbeitsvertrag nicht länger als acht oder neun Stunden benötigt, sagt er.

Die Richterin meinte zwar, dass die entscheidende Passage weder versteckt noch klein gedruckt sei, man hätte sie nur lesen müssen. Dennoch äußerte auch sie Bedenken. Sie schlug als Kompromiss eine Zahlung von noch etwa 15 000 Euro vor. Das lehnte der beklagte Anwalt ab. Er habe als "Top-Performer" eben nicht nach Zeitaufwand, sondern nach gesetzlicher Vorgabe abgerechnet. Das Gericht will den Fall nun der Anwaltskammer zur Begutachtung vorlegen.

© SZ vom 23.10.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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