Prozess in München:Urteil: Trommeln ist ein Kinderrecht

  • Ein Ehepaar aus Trudering-Riem verklagt seine Nachbarn vor dem Amtsgericht München, weil deren Kinder laut musizieren.
  • Der zuständige Richter weist die Klage ab. Ein relevanter Rechtsverstoß durch die musizierenden Kinder sei nicht festzustellen.

Von Andreas Salch

"Musik wird oft nicht schön gefunden, weil sie stets mit Geräusch verbunden", dichtete einst Wilhelm Busch. Man mag schmunzeln über diesen Aphorismus. Ein Ehepaar aus Trudering-Riem kann das aber sicherlich nicht. Denn drei der vier Kinder ihrer Nachbarn im Haus nebenan spielen ein Instrument.

Der Mini-Klangkörper setzt sich zusammen aus Tenorhorn, Saxofon und Schlagzeug und probt bereits seit Jahren eifrig - zum Leidwesen der Nachbarn. Ihnen gehen die musizierenden Kinder schlichtweg auf die Nerven. Deshalb haben sie deren Eltern jetzt vor dem Amtsgericht München verklagt. Durch die laute Musik werde die Nutzung ihres Anwesens wesentlich beeinträchtigt, so der Vorwurf.

Die Kinder spielten auch während der vorgeschriebenen Ruhezeiten auf ihren Instrumenten, klagte das Ehepaar und belegte dies mit Messergebnissen. Regelmäßig würden Werte von "deutlich über 55 Dezibel (dB)" erreicht, ja sogar Spitzenwerte von 70 dB. Letzteres entspricht in etwa dem Lärm eines Staubsaugers. Der zuständige Richter ließ sich davon aber nicht beeindrucken. Er wies die Klage ab.

Bei der Auswertung der Messprotokolle zeigte sich nämlich, dass die Kinder in einem Zeitraum von zwei Jahren nur wenige Male im Fortissimo, also sehr laut, geprobt hatten. In seiner Urteilsbegründung stellte der Richter fest, es sei davon auszugehen, "dass in aller Regel in den Mittagsstunden gerade nicht musiziert wird". Dass es einige "Ausreißer" gegeben habe, möge ja sein. Aber dabei müsse man berücksichtigen, dass es sich bei den "Lärmverursachern" um minderjährige Kinder handle.

Von ihnen könne man nicht ohne Weiteres verlangen, Regeln einzuhalten. Der Richter sagte es sogar noch deutlicher: "Es liegt in der Natur der Kindheit und des Erwachsenenwerdens, dass man Grenzen überschreitet, Regeln bricht und daraus und aus den negativen Konsequenzen lernt." Ein relevanter Rechtsverstoß durch die musizierenden Kinder sei nicht festzustellen.

Einfach machte es sich der Richter bei seiner Entscheidung nicht. Um sich einen Eindruck von der Lautstärke der musikalischen Darbietungen zu machen, war er zu dem Anwesen der Familie gefahren. Sein Fazit: Das Schlagzeug war zwar deutlich zu laut, auch dann, wenn die Fenster in beiden Häusern geschlossen waren.

Gleichwohl sei durch den Geräuschpegel der "Grad der Unzumutbarkeit" nicht überschritten worden. Laut Grundgesetz stehe die gesunde Entwicklung junger Menschen im besonderen Interesse des Staates. Ihr Interesse am Musizieren habe also Vorrang, argumentierte der Amtsrichter. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az. 171 C 14312/16).

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