Bringt ein Mensch einen anderen ums Leben, so spricht die Polizei zunächst von einem Tötungsdelikt. Erst bei näherer Betrachtung der Umstände erfolgt die juristische Bewertung. Geht es um Totschlag? Oder Mord? Nach § 211 des Strafgesetzbuches ist ein Mörder, wer etwa heimtückisch tötet, grausam oder aus niedrigen Beweggründen. Auf den ersten Blick scheinen diese Mordmerkmale alle auf die 32 Jahre alte Pädagogin Gabriele P. zuzutreffen:
Die Frau soll im Dezember 2008 ihrem Lebensgefährten, der zu einem Sexspiel mit verbundenen Augen ans Bett gefesselt war, eine laufende Kreissäge gegen die Brust gedrückt haben. Verteidigerin Birgit Schwerdt, die Gabriele P. vertritt, glaubt jedoch an eine "Verzweiflungstat". Der Prozess beginnt an diesem Montag.
Es wäre der filmreife Stoff für einen Krimi am Sonntagabend. Eine Hippie-WG, ein Einfamilienhaus mit verwunschenem Garten - und einem dunklen Geheimnis, das dort jahrelang unter der Erde schlummerte. Und irgendjemand soll irgendwann in nicht mehr ganz nüchternem Zustand auf einem Fest von dem Grauen erzählt haben. Das Gegenüber allerdings nahm die Geschichte nüchtern zur Kenntnis und ging zur Polizei. Und so kam die Mordkommission Anfang des Jahres 2016 zu einem Mord aus dem Jahr 2008, von dem sie bis dato gar nichts gewusst hatte.
Gabriele P., genannt Gabi, hatte das kleine Häuschen in der Haarer Zunftstraße von Verwandten geerbt und dort eine WG eingerichtet. Im Erdgeschoss befanden sich drei Zimmer, oben im Dachgeschoss ein großes Zimmer. Um sich Geld dazuzuverdienen, vermietete Gabi P. die Zimmer im Erdgeschoss an zwei Interessenten.
Ein genauer Tattag ließ sich nicht mehr herausfinden
Sie und ihr Freund lebten im Dachgeschoss. Gabi P. und Alex H. lernten sich kennen, da war sie gerade einmal 16 Jahre alt, er 21. Offenbar mit ihrer Volljährigkeit, Ende 2003, zog das Paar gemeinsam in das Häuschen am Zunftweg. Alex H. war als Säugling von seiner Mutter zur Adoption freigegeben worden und wuchs bei Pflegeeltern auf. Er studierte Literatur und Japanologie, Gabi P. Pädagogik. Mit im Haus, im Erdgeschoss, wohnten wechselnde WG-Partner.
Doch die Beziehung soll alles andere als harmonisch verlaufen sein. In ihrem Tagebuch soll Gabi P. die erniedrigenden Sex-Praktiken beschrieben haben, die sich ihr Freund ausdachte, und die sie über sich ergehen ließ. Im Dezember 2008 soll es zwischen dem Paar zu einem heftigen Streit gekommen sein. Die Mordkommission hat etliche Zeugen vernommen, ein genauer Tattag ließ sich wohl nicht mehr herausfinden.