Prozess in München:Thailand statt Unterricht

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Als das Übertrittszeugnis da ist, fährt ein Viertklässler aus dem Landkreis Ebersberg mit seinen Eltern einfach auf Weltreise. Doch Schulpflicht bleibt Schulpflicht, die Familie muss nun Bußgeld zahlen.

Von Alexandra Leuthner

Welcher Viertklässler würde das nicht gerne tun in diesen Tagen: Einfach den Schulranzen in die Ecke, das Hausaufgabenheft zum Altpapier werfen und das Weite suchen. Schließlich geht es nach den Sommerferien in die weiterführende Schule, und dann wird es bekanntlich so richtig ernst.

Ein Grundschüler aus Pliening im Landkreis Ebersberg hat im Vorjahr genau das getan. Die Eltern brachen mit dem Neunjährigen in den Pfingstferien einfach zu einer Weltreise auf und kamen erst zum neuen Schuljahr zurück. Eine Genehmigung für die außerplanmäßigen Ferien hatte die Familie nicht, weswegen das Landratsamt ein Bußgeld verhängte: zweimal 800 Euro für die Eltern.

Dass die Reise verführerisch war, liegt auf der Hand. Schließlich hatte der Bub das Übertrittszeugnis für die Realschule schon in der Tasche, das Jahreszeugnis ist für den Schulwechsel nicht von Belang. "Was schon mal Eltern zu solchen Gedanken verleiten kann", sinniert der Pressesprecher im Kultusministerium, Ludwig Unger. Verständnis dafür habe er aber keines. Während die Klassenkameraden des Neunjährigen im heißen Juni 2013 ihre letzten Grundschulwochen absaßen, tourte der Bub durch Thailand und Kambodscha.

Schulpflicht ist Schulpflicht

Das erzählte sein Vater , ein 47-jähriger Maschinenbauingenieur, vor Gericht. Denn die Eltern hatten Einspruch eingelegt. Doch das Ebersberger Amtsgericht bestätigte den Bußgeldbescheid. "Wir haben Schulpflicht", sagt Wolfgang Michalke, stellvertretender Leiter des Ebersberger Schulamts, der von den Reiseplänen gewusst hatte.

Der Schulleiter hatte den Eltern schon bei ihrer ersten Anfrage eine Abfuhr erteilt, ihnen aber empfohlen, sich mit dem Schulamt in Verbindung zu setzen, wie er als Zeuge bei Gericht angab. "Aber es hat sich nie jemand gemeldet", so Michalke zur SZ. Was den Eltern - die sich zu der Sache gar nicht mehr äußern wollten - auch nichts genutzt hätte.

Schulpflicht ist Schulpflicht, argumentiert auch Ministeriumspressesprecher Unger. "In anderen Ländern wäre man glücklich, wenn Kinder ohne Gefahr für Leib und Leben in die Schule gehen könnten." Und dann komme jemand daher, und sage, sechs Wochen Herumreisen und im Flugzeug sitzen, "das ist wichtiger." Er sehe das auch als "Entwürdigung der Arbeit der Lehrkräfte".

"Wir haben nicht den Höchstsatz genommen"

Tatsächlich seien Befreiungen vom Unterricht nur bei triftigen Gründen genehmigungsfähig, bei Krankheit etwa, dem Tod eines Angehörigen oder auch für Studienzwecke. Allerdings gelte das, so Unger, eher für die Mittelstufe und nur, wenn der Schüler an seinem Aufenthaltsort "in den Unterricht eingebunden ist". Die Entscheidungsgewalt liege in jedem Fall beim Schulleiter.

Das Plieninger Elternpaar hätte dennoch vielleicht mit dem Rektor verhandeln können, "um einen Tag rauf oder runter", sagt Unger. Grundsätzlich aber gebe es, auch wenn es etwa um einen billigeren Flug gehe, kein Pardon. Jedes Jahr würden bayernweit Verstöße gegen die Schulpflicht geahndet, in drei bis vierstelliger Höhe, "von Leuten, die einen Tag zu spät heimkommen".

Das aber kann so teuer werden, dass die gesparten Euros wieder dahin sind. 250 Euro kostet der erste Tag Schulschwänzen in München, jeder weitere 50. Da sind die Plieninger Eltern noch günstig weggekommen- mit 18,60 Euro pro Tag. "Wir haben nicht den Höchstsatz genommen", sagt Landratsamtssprecher Norbert Neugebauer, "wegen der Ersttäterschaft".

© SZ vom 05.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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