Prozess in München:Raser mit Blaulicht

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Blaulicht und Martinshorn rechtfertigen keine Raserei, sagt das Gericht.

(Foto: picture alliance / dpa)
  • Ein Polizeiauto ist in der Silvesternacht 2013 auf eine Kreuzung in Obersendling zugerast und einem Kombi in die Seite gekracht.
  • Laut Sachverständigem sind die Beamten mit bis zu 80 km/h unterwegs gewesen.
  • Die Polizei muss nun voll für den Schaden haften.

Von Ekkehard Müller-Jentsch

Blaulicht und Martinshorn sind kein Freibrief zum Rasen: Die Polizei muss voll und ganz für einen Unfall in Obersendling haften, der von einem Streifenwagen auf Einsatzfahrt ausgelöst worden ist. Die Amtshaftungskammer am Landgericht München I weicht mit dieser Entscheidung von dem Grundsatz ab, dass gewöhnlich die zivilen Unfallgegner wenigstens für den halben Schaden aufkommen müssen, weil sie die Einsatzsignale missachtet haben. In diesem Urteil kreidet das Gericht den Ordnungshütern an, viel zu schnell bei Rot in die Kreuzung gefahren zu sein.

Der Unfall hatte sich auf der Kreuzung Hofmann-/Boschetsrieder Straße in einer Dezembernacht 2013 ereignet. Der Fahrer eines Mercedes Vito Kombi hatte Grün, als der Polizei-BMW 320 ihm voll in die Seite krachte. Der Fahrer will unmittelbar vor dem Zusammenprall noch gesehen haben, dass der Polizist auf dem Beifahrersitz des Streifenwagens seiner Kollegin ins Lenkrad gegriffen habe. Das stritten die Beamten später jedoch ebenso ab, wie die Behauptung von neutralen Zeugen, dass der Polizeiwagen "ganz schön angebrettert gekommen ist", zwar mit Blaulicht, aber ohne Martinshorn.

Mit bis zu 80 km/h in die Kreuzung

Die 15. Zivilkammer ließ den Unfall durch einen Sachverständigen begutachten. Der kam aufgrund der Unfallschäden zu dem Schluss, dass der Streifenwagen die Haltelinie an der roten Ampel mit einer Geschwindigkeit bis zu 80 Stundenkilometer überfahren haben muss - beim Aufprall habe er noch etwa Tempo 50 gehabt.

Die Polizisten hatten zuvor erklärt, sich in die Kreuzung "getastet" zu haben. Dass sie das Martinshorn angehabt habe, sagte die Fahrerin, wisse sie genau: Da sie wegen eines Einbruchs unterwegs gewesen waren und das Martinshorn deshalb frühzeitig wieder auszuschalten gewesen sei, habe sie sich bereits bei der Annäherung an die Kreuzung darüber Gedanken gemacht.

Aus Sicht des Gerichts spielt es allerdings keine wesentliche Rolle, wer die Wahrheit gesagt hat: Denn auch die Einsatzsignale entbinden die Beamten nicht von der Verpflichtung, die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu beachten. Sie müssten sich stets vergewissern, dass die eigentlich bevorrechtigten Autofahrer ihnen wegen der Sondersignale den Vorrang einräumen, meinen die Richter. Das Urteil (Az.: 15 O 10778/14) ist noch nicht rechtskräftig.

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