Prozess in München:Jugendtrainer gesteht 300-fachen Missbrauch

"Ich dachte, dass es ihnen Spaß macht": Der ehemalige Leichtathletik-Coach Ewald K. hat gestanden, seine Schützlinge missbraucht zu haben.

Christina Warta

Der frühere Leichtathletik-Trainer Ewald K., der des 215-maligen sexuellen Missbrauchs von Kindern und des 82-maligen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen angeklagt ist, hat ein Geständnis abgelegt. "Heute kann ich es nicht mehr nachvollziehen", sagte der 49-Jährige zum Prozessauftakt vor dem Landgericht München II am Dienstag. "Ich habe damals die Kontrolle verloren." Er bereue seine Taten. "Es war irrsinnig von mir, aber ich dachte, dass es ihnen wirklich Spaß macht."

Prozess in München: "Ich habe ihnen gesagt, dass Hormonfreisetzung die Leistung steigert": Ewald K. im Gerichtssaal.

"Ich habe ihnen gesagt, dass Hormonfreisetzung die Leistung steigert": Ewald K. im Gerichtssaal.

(Foto: Foto: ap)

Ewald K. hält sich einen Aktenordner vors Gesicht, als er den Saal betritt. Seit er im November 2008 im Olympiapark beim Training festgenommen wurde, sitzt er in Untersuchungshaft. Er hat sich stark verändert: Der einst so selbstbewusste Trainer des Bayerischen (BLV) und Deutschen Leichtathletikverbandes (DLV) hat stark abgenommen. Gebückt sitzt er auf der Anklagebank, keinen Blick richtet er in den Zuschauerbereich.

Dort sitzen nicht nur Journalisten, sondern auch einstige Weggefährten. "Wenn man Fragen zum Hürdensprint hatte, dann hieß es: Geht zum Waldi, da könnt ihr euch was abschauen, und vielleicht entdeckt er euch auch", erzählt die frühere Mehrkämpferin Britta Hofmann. "Jetzt denke ich nur noch: Wie kann ein Mensch Kindern so etwas antun?"

Opfer wollte Geld erpressen

Ewald K. ist angeklagt, in den Jahren von 1990 bis 1996 einen damals zwischen acht und 14 Jahre alten Jungen auf den Fahrten von Penzberg zum Training in München, in Nebenräumen der Sporthalle, im Trainingslager, sogar in der Badewanne und in dessen Kinderzimmer sexuell missbraucht zu haben. Insgesamt handelt es sich um 215 Taten, bei denen es immer wieder zum Anal- und Oralverkehr gekommen war. Auch der Bruder des Jungen und zwei weitere Kinder wurde Opfer von K., doch diese Taten sind verjährt. Jahre später offenbarte sich einer der Buben seinem Vater, der konfrontierte K. damit und drohte mit einer Anzeige. "Doch die kam nicht", erzählt Ewald K., "ich hatte schon mit einem Rechtsanwalt Kontakt aufgenommen."

Laut Anklage der Staatsanwaltschaft kam es von 2004 bis 2008 zu 82 weiteren Fällen des sexuellen Missbrauchs Schutzbefohlener, insgesamt wurden sieben männliche Jugendliche K.s Opfer. Der jahrelange Missbrauch flog auf, als 2008 ein ehemaliges Opfer Geld von K.s Eltern erpressen wollte - und schließlich zur Polizei ging.

Der gebürtige Österreicher K. kam 1970 mit seiner Familie nach Deutschland. In Penzberg machte er den qualifizierenden Hauptschulabschluss und eine Lehre zum Restaurantfachmann. Er war ehrgeizig: Bald arbeitete er im Luxushotel Bayerischer Hof, wo er zum stellvertretenden Restaurantleiter aufstieg.

Nebenbei war er als Leichtathletiktrainer tätig: zunächst beim TSV Penzberg, dann beim LAC Fürth, schließlich engagierten ihn BLV und DLV. Von 2001 an sei er als Bundestrainer für die besten Hürdensprinter verantwortlich gewesen.

Keine Zeit für Freunde

95 Stunden habe er pro Woche gearbeitet, so Ewald K., bis er 1998 wegen des Stresses im Bayerischen Hof kündigte. "Der Ehrgeiz als Trainer wurde größer, ich wollte weitermachen", sagt er. Und er hatte Erfolg: Seine Athleten wurden deutsche Meister, nahmen an Europameisterschaften teil. Gleichzeitig fühlte er sich extrem unter Druck: "Ich habe immer um meinen Job gebangt, wenn die Erfolge mal fehlten." Für Freunde oder eine Beziehung blieb keine Zeit.

Die sexuellen Übergriffe erklärte er seinen Schützlingen mit erfundenen wissenschaftlichen Erkenntnissen: "Ich habe ihnen gesagt, dass Hormonfreisetzung die Leistung steigert", sagt er. Oft lockte er die Athleten zum "Mentaltraining". Die Handlungen, behauptet K., hätten nicht gegen den Willen der Kinder stattgefunden. "Wenn die Kinder gesagt haben, dass sie es nicht mehr wollen, habe ich aufgehört", erklärt er, bei zwei seiner Opfer sei dies der Fall gewesen.

Zwei Vergewaltigungen in seiner Jugend hätten dazu geführt, dass er sich mehr zu Jungen hingezogen gefühlt habe als zu Frauen. Nun wolle er eine Therapie machen. Gemäß einer Vereinbarung der Prozessbeteiligten würde K. bei einem umfassenden Geständnis zu einer Haftstrafe von nicht mehr als acht Jahren verurteilt. Außerdem entscheidet das Gericht über anschließende Sicherheitsverwahrung.

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