Prozess in München:Ingenieur filmte heimlich Nachbarn

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"Sieht ja keiner", dachte Ludger F. - und filmte heimlich ein Ehepaar aus der Nachbarschaft. Als das herauskam, fand die Polizei zudem kinderpornografische Bilder auf seinem Computer. Jetzt wurde der Mann vor einem Münchner Gericht verurteilt.

Von Andreas Salch

Man sieht es Ludger F. (Name geändert) an. Es ist ihm sehr peinlich, dass er an diesem Donnerstagmorgen auf der Anklagebank des Amtsgerichts München sitzt und nun gleich alles zur Sprache kommen wird. Die Sache mit der Verbreitung kinder- und jugendpornografischen Bilddateien, die auf der Festplatte seines Computers gefunden wurden und natürlich die Videoaufnahmen von seinen Nachbarn.

In der Zeit zwischen November 2011 und Oktober vergangenen Jahres filmte der 44-jährige Ingenieur nachts ein Ehepaar aus seiner Nachbarschaft "bei höchstpersönlichen Verrichtungen", wie es in der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft heißt, oder als es nur Unterwäsche trug. Ludger F. sitzt völlig regungslos auf seinem Platz, die Augen weit geöffnet, die Mundwinkel nach unten gezogen. Er sei kein "Frauenheld" wird der Ingenieur später in der Verhandlung noch zu Richterin Karin Jung sagen.

Er sei auf "dumme Ideen" gekommen

Gleich nach der Verlesung der Anklage, bitten die beiden Verteidiger des 44-Jährigen um ein Rechtsgespräch, um zu eruieren, wie ihr Mandant am besten davon kommt. Im Falle eines vollumfänglichen Geständnisses stellt Richterin Jung dem Angeklagten eine Geldstrafe von nicht mehr als 90 Tagessätzen in Aussicht. Das hat immerhin den Vorteil, dass kein Eintrag ins Führungszeugnis erfolgt. "90 Tagessätze ist deutlich unter dem, was ich sonst verhängen würde in so einem Fall", sagt die Vorsitzende.

Ludger F. räumt schließlich alles ein und erklärt, wie es dazu kam. Er sei beruflich viel unterwegs, so der 44-Jährige und lebe allein. Wenn er abends nach Hause gekommen sei, sei er sehr oft müde gewesen, habe auf der Terrasse seiner Wohnung gesessen und noch ein Bier getrunken. Da sei er auf die "dumme Idee" gekommen, ein Ehepaar in seiner Nachbarschaft zu filmen. "Sieht ja keiner", habe er sich gedacht.

Bilddateien mit jugendpornografischen Aufnahmen

In den Aufnahmen manifestiere sich sein "Alleinseinsfrust", sagt Ludger F. Auf die Frage von Richterin Jung, was der Grund für diesen "Alleinseinsfrust" sei, erwidert der Angeklagte, dass er das so genau nicht wisse. Beruflich sei er erfolgreich. Privat aber "gehemmt, jemanden anzusprechen". Nach allem was vorgefallen sei, wolle er nun die Hilfe eines Therapeuten in Anspruch nehmen.

Anfang November 2013 hatten Fahnder der Polizei in der Wohnung von Ludger F. neben den Aufnahmen, die er von dem Ehepaar gemacht hatte, noch 14 Bilddateien mit kinder- und jugendpornografischen Aufnahmen gefunden. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft hielt Ludger F. unter anderem zugute, dass die Bilder keinen schweren Missbrauch zeigten, er sich mit den Vorwürfen auseinandergesetzt habe und "extrem selbstreflektiert" sei. Das Gericht verurteilte den Ingenieur wegen Verbreitens kinder- und jugendpornografischer Schriften sowie Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs zu 6300 Euro Geldstrafe.

© SZ vom 05.09.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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