Eine Woche vor den Terroranschlägen in Paris im November 2015 gelang der bayerischen Polizei ein spektakulärer Fang. Auf einem Autobahnparkplatz in der Nähe von Rosenheim entdeckten Beamte im Fahrzeug eines 51-jährigen Montenegriners ein Waffenarsenal. Die Sturmgewehre, Pistolen, Handgranaten und der Sprengstoff sollten in die französische Hauptstadt gebracht werden, um Terroristen auszurüsten, da waren sich die mit dem Fall betrauten Strafverfolger der Münchner Staatsanwaltschaft sicher, die auch umgehend die französischen Behörden informierten.
An diesem Freitag jedoch konnte in der Verhandlung gegen den Montenegriner am Landgericht München I der Vorwurf, er sei ein Terrorhelfer, nicht mehr aufrecht erhalten werden. Der Angeklagte, Vlatko V., wird allenfalls wegen Waffen- und Sprengstoffdelikten bestraft - mit etwa vier Jahren Haft.
Prozess:Mutmaßlicher Unterstützer der Pariser Terroranschläge vor Gericht
Der Mann war mit Sprengstoff im Auto auf dem Weg nach Paris gestoppt worden. Der Polizei sagte der 51-Jährige, er wolle den Eiffelturm ansehen.
Die 2. Strafkammer unter dem Vorsitz von Norbert Riedmann bat den Ankläger und den Verteidiger gleich nach Prozessbeginn zum Gespräch hinter verschlossenen Türen. Riedmann verdeutlichte, dass dem Gericht konkrete Anhaltspunkte für eine Verurteilung des Angeklagten wegen Beihilfe zur Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat fehlten.
Staatsanwalt Wolfram Schütz hatte in seiner Anklageschrift argumentiert, dass schon die Menge und die Zusammensetzung der transportierten Waffen und Sprengstoffe darauf hindeuteten, dass das Material für terroristische Anschläge verwendet werden sollte. Vlatko V. habe zudem gewusst, dass bereits im Januar 2015 islamistische Attentäter tödliche Anschläge verübt hatten, unter anderem auf die Redaktion der Satirezeitschrift Charlie Hebdo. Deshalb sei es dem Angeklagten durchaus bewusst gewesen, dass er mit dem Waffentransport Terroristen unterstütze, so Schütz.
Belegen konnte der Staatsanwalt seine Annahmen aber lediglich mit einer Pariser Adresse, die im Golf des Angeklagten im Navigationsgerät und auf einem Zettel gefunden wurde. Daneben verwies der Ankläger auf Anrufe aus Frankreich, die auf dem Mobiltelefon V.s eingegangen waren. Auch nach seiner Festnahme am 5. November 2015 rief ein Unbekannter noch ein Mal auf dem Handy an. Wer da versucht hatte, den Waffenkurier zu erreichen, ließ sich allerdings nicht mehr ermitteln. Beim Versuch, die Nummer zurückzuverfolgen, blieb die Leitung am anderen Ende tot, wie der Staatsanwalt einräumte.
Angesichts dünner Beweise bietet das Gericht einen Deal an
Angesichts der dünnen Beweislage bot das Gericht Vlatko V. einen Deal an: Wenn er den Waffentransport gestehe, könne er mit einer Freiheitsstrafe von nicht weniger als drei Jahren und neun Monaten und nicht mehr als vier Jahren und drei Monaten rechnen. Der Mann willigte ein und ließ seinen Verteidiger Markus Frank erklären, dass er gewusst habe, was er transportiere. "Er wusste aber nicht, wofür die Waffen und der Sprengstoff dienen sollten", so der Anwalt. Zu seinen Auftraggebern, die ihm angeblich 2000 Euro für den Transport geboten hatten, machte V. keine Angaben.
Die Polizei hatte in seinem Auto sieben Sturmgewehre der Marken Zastava und Kalaschnikow, neun dazu passende Magazine, zwei halbautomatische Selbstladepistolen, einen Magnum-Revolver, 237 Schuss Munition verschiedener Kaliber sowie zwei Handgranaten jugoslawischer Bauart entdeckt, dazu 200 Gramm Sprengstoff TNT, der bereits mit Sprengzündern versehen war. Solches Material, das voll funktionsfähig war, wurde auch bei den vom sogenannten "Islamischen Staat" organisierten Terroranschlägen am 13. November 2015 in Paris verwendet, bei denen 130 Menschen getötet und 352 verletzt wurden. Die Terroristen griffen Zuschauer eines Fußballspiels der deutschen und französischen Nationalmannschaften, Besucher eines Konzerts im Bataclan-Theater sowie Gäste mehrerer Bars, Cafés und Restaurants an.
Von Vorbereitungen für diesen Anschlag will Vlatko V. nichts mitbekommen haben. Als einfachen Mann stellte er sich vor Gericht dar, der sich in seiner Heimat als Ziegenhirte und Hilfskraft auf einem Weingut verdingte. Er sei nicht vorbestraft, "nicht hier und nirgendwo auf der ganzen Welt", beteuerte er mit ausgebreiteten Armen, um dann noch anzufügen: "Bis jetzt."