Süddeutsche Zeitung

Prozess in München:Blutiger Angriff auf den Nebenbuhler

Auf offener Straße attackierte Ali D. den Liebhaber seiner Frau mit einem Küchenmesser. Oktoberfest-Touristen, die Zeugen der Szene wurden, fühlten sich in einen Horrorfilm versetzt. Nun steht der 49-Jährige vor Gericht.

Von Christian Rost

Es war keine Liebesheirat, als Ali D. 2002 nach Pakistan fuhr, dort nach islamischem Recht eine 17 Jahre jüngere Frau heiratete und mit nach München nahm. Die beiden kannten sich vorher nicht. Sein Bruder hatte die Ehe vermittelt. Die junge Frau musste versprechen, ihm "ewig zu dienen" und "die Füße zu küssen", hingezogen fühlte sie sich zu ihrem Ehemann aber nicht.

Als sie dann einen jüngeren und attraktiveren Mann in München kennenlernte, rastete der heute 49-Jährige aus. Auf offener Straße attackierte Ali D. im September 2013 am Harras seinen Nebenbuhler mit einem Messer. Zahlreiche Oktoberfest-Touristen, die vor einem Hotel warteten, wurden Zeugen der Szene, die sie an einen Horrorfilm erinnerte. Seit Donnerstag muss sich D. vor dem Schwurgericht verantworten.

Ali D. ist kein gebildeter Mann, in seiner Heimat Afghanistan besuchte er nur ein halbes Jahr lang eine Koranschule und lernte weder schreiben noch lesen. 1993 flüchtete er nach Deutschland, in Afghanistan ließ er eine Frau und drei Kinder zurück. Die Frau starb wenige Jahre später, Ali D. blieb in München und schlug sich mit Hilfsjobs in der Putzbranche und bei einer Autosattlerei durch. Weil er nicht allein bleiben wollte, folgte er dem Rat seines Bruders, er solle die Schwester seiner Frau heiraten. Die Scharia-Hochzeit in Pakistan wurde vollzogen. Das Paar bekam zwei Kinder.

Telefonat war "laut und hitzig"

Etwa zwei Jahre vor der Tat, die die Staatsanwaltschaft als versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung angeklagt hat, begann die außereheliche Liaison der Frau, die es offenbar satt hatte, dass ihr Mann allabendlich Bier und Wodka trank. Sie traf sich heimlich mit einem 29-jährigen Iraker. Dem Ehemann entging freilich nicht, dass sich seine Frau mit der Zeit veränderte und sich immer mehr von ihm distanzierte. Und er vermutete, dass Achmed F. (Name geändert) ihr sexuell motivierte Avancen machte.

Am Abend des 28. September 2013 habe der Nebenbuhler auf dem Handy seiner Frau angerufen, ließ der Angeklagte von seinem Verteidiger Alexander Eckstein vor Gericht erklären. Ali D. nahm das Gespräch entgegen. Das Telefonat war "laut und hitzig", so der Angeklagte, am Ende habe man sich auf ein Treffen am Harras geeinigt. Gegen 0.30 Uhr trafen sich Ali D., seine Frau, Achmed F. und ein Bekannter von ihm vor der dortigen Postfiliale.

Der Angeklagte hatte zu Hause ein spitzes Küchenmesser mit 14 Zentimeter langer Klinge eingesteckt. Nach einem kurzen, heftigen Wortgefecht schubste D. den Liebhaber seiner Frau, zog das Messer und stach wild auf F. ein. Der wich zurück, rappelte sich auf und flüchtete über die Straße, wo er von einem Baum einen Ast abbrach, mit dem er sich gegen die Stichattacken des eifersüchtigen Ehemanns zu wehren versuchte.

Als ihm das nicht gelang, versuchte der am Oberkörper bereits stark blutende Mann zu einer Reisegruppe zu gelangen, die wenige Meter von ihm entfernt vor einem Hotel wartete. Angesichts der vielen Zeugen, die bereits die Polizei gerufen hatten, ließ Ali D. von Achmed F. ab und das Messer zu Boden fallen. Das Opfer hatte sechs Stich- und Schnittverletzungen erlitten, wobei auch die Lunge getroffen worden war, und musste sofort zur Notoperation ins Klinikum Großhandern gebracht werden. Laut Staatsanwaltschaft bestand bei Achmed F. "zumindest abstrakte Lebensgefahr".

Zeugen aus den USA

Ali D. kam in Untersuchungshaft, seine Frau ließ sich von ihm scheiden. Am ersten Prozesstag äußerte er sich selbst nicht zu den Vorwürfen der Anklage, ließ über seinen Pflichtverteidiger aber ausrichten, dass er es "zutiefst bedauert, Schäden beim Opfer und seiner Familie angerichtet" zu haben. Achmed F. tritt in dem Prozess als Nebenkläger auf.

Als Zeugen in dem auf fünf Tage angesetzten Verfahren werden auch mehrere Touristen gehört, zu denen sich das Opfer geflüchtet hatte. Auch einen Vater und dessen Sohn aus den USA hat das Schwurgericht unter dem Vorsitz von Michael Höhne geladen. Die beiden waren eigentlich zu einem lustigen Wiesn-Besuch nach München gekommen und fühlten sich angesichts der Messer-Attacke vor ihrem Hotel unvermittelt in einen "Splatter-Film" versetzt.

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SZ vom 19.09.2014/amm
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