Prozess in München:85-Jähriger soll pflegebedürftige Ehefrau getötet haben

  • Ein Mann steht vor dem Landgericht München. Ihm wird vorgeworfen, seine pflegebedürftige Frau am zweiten Weihnachtsfeiertag 2016 getötet zu haben.
  • Er habe seine Frau "erlösen" wollen, soll er einem Kriminalbeamten am Tatort gesagt haben.
  • Der 85-Jährige ist laut der Diagnose von Ärzten dement und kann deshalb strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden.

Aus dem Gericht von Andreas Salch

Etwas mehr als 60 Jahre waren sie miteinander verheiratet, der Bäcker Reimund F. aus Aubing und seine Frau Maria. Das Paar lebte in einer Einliegerwohnung. Die 84-Jährige war zuletzt sehr gebrechlich und stark dement. Ihr ein Jahr älterer Mann kümmerte sich um sie. Bis zum zweiten Weihnachtsfeiertag 2016: Als Reimund F. zwischen vier und fünf Uhr morgens aufwachte, ging es seiner Frau schlecht. Sie röchelte. Er nahm einen Waschlappen, legte ihn auf ihr Gesicht und drückte zu, solange bis Maria F. erstickte.

Nach der Tat hatte Reimund F. versucht, sich mit zwei Messern zu töten. An beiden Handgelenken und am Hals fügte er sich Schnittwunden zu und legte sich blutend neben seine tote Frau in das gemeinsame Ehebett. Doch er überlebte. Gegen 7.30 Uhr stand er auf und ging in den Flur. Dort wurde er von seinem 59-jährigen Sohn, der in einer anderen Wohnung in dem Anwesen lebt, blutüberströmt aufgefunden. Er alarmierte einen Rettungswagen. Doch für Maria F. kam jede Hilfe zu spät. Er habe seine Frau "erlösen" wollen, soll ihr Ehemann später einem Kriminalbeamten am Tatort gesagt haben.

Seit Montag muss sich Reimund F. für diese Tat vor dem Landgericht München I verantworten. Als er seine Frau tötete, war er laut der Diagnose von Ärzten ebenfalls dement. Aus diesem Grund kann Reimund F. strafrechtlich nicht zur Verantwortung gezogen werden. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb keine Anklageschrift bei Gericht eingereicht, sondern eine Antragsschrift. Darin fordert sie die Unterbringung des 85-Jährigen in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik.

Es ist kurz vor 9 Uhr am Montag, als ein Polizeibeamter Reimund F. in seinem Rollstuhl in den Gerichtssaal schiebt. Nach Verlesung der Antragsschrift fragt ihn Rechtsanwalt Eduard Uebelacker, einer der beiden Verteidiger, ob er verstanden habe, was man ihm vorwirft. Reimund F. sagt, er habe es nur "zum Teil mitbekommen."

Seit er seine Frau getötet hat, ist der 85-Jährige im Isar-Amper-Klinikum in Haar einstweilig untergebracht. Angaben zur Tat will er keine machen, nur zu seiner Person. Ob er Krankheiten habe, fragt Richter Norbert Riedmann. "Das müssen andere sagen, ob ich da noch richtig bin", antwortet Reimund F. und deutet mit dem linken Zeigefinger auf seine Stirnmitte. Der Sohn berichtet dem Gericht ausführlich.

Als er die Wohnung seines Vaters betreten habe, habe der gerufen: "Die Mutter, die Mutter." Der Vater sei verwirrt gewesen. In den Wochen zuvor sei er jedoch sogar noch Autogefahren. Allerdings nur kurze Strecken. Ob er Anzeichen von Demenz wahrgenommen habe, fragt Richter Riedmann. Sein Vater habe beim Laufen nur "Trippelschritte" gemacht, erwidert der Sohn. Der Vater habe immer weniger machen können, so der 59-Jährige. "Es war halt schwierig." An jenem Weihnachtsfeiertag habe sein Vater auf ihn den Eindruck gemacht, als habe jemand bei ihm einen "Schalter umgelegt", sagt der Sohn. In den Tagen zuvor aber habe man sich noch "ganz normal mit ihm unterhalten können." An Heiligabend seien sie zusammen gesessen und hätten miteinander gegessen. Reimund F.s Tochter sagt mit tränenerstickter Stimme vor Gericht, ihr Vater habe seine Frau stets "so liebevoll behandelt". Ein Urteil wird noch in dieser Woche erwartet.

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