Andrea S. ( Name geändert) meinte es bitterernst, als sie am 17. Oktober 2012 am Kinderzentrum in Großhadern aus dem Taxi stieg. Ausgerüstet mit Klangschalen und einer Reitgerte wollte sie in der dortigen Montessori-Schule böse Geister austreiben - konkret die Zusatzstoffe "Maggi" und "Glutamat" aus dem Schulessen der Kinder. Weit kam die Bio-Bäuerin bei ihrer Mission allerdings nicht.
Das Personal im Kinderhaus verwehrte der 45-Jährigen den Zutritt, obwohl sie mit ihrer Gerte sehr dominant auftrat. Die Polizei nahm die Frau schließlich mit. Seit Dienstag verhandelt die 7. Strafkammer am Münchner Landgericht darüber, ob S. eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt und sie deshalb dauerhaft in einer Psychiatrie untergebracht werden muss.
Die Frau aus dem südlichen Landkreis München tritt kernig auf, auch von Juristen lässt sie sich nicht beeindrucken. Ihren beiden Verteidigern beschied sie zum Prozessauftakt, dass sie keinen Beistand brauche, das Geld dafür sei ihr viel zu schade. Auch Psychopharmaka lehnt sie kategorisch ab, obwohl Ärzte im Isar-Amper-Klinikum zur Behandlung ihrer schizoaffektiven Psychose dringend zur Einnahme von Medikamenten raten.
Acht Mal war S. seit 2006 in der Psychiatrie, weil sie manisch-depressive und schizoide Züge mit Wahnvorstellungen zeigt. Aus ihrer Sicht war das lauter unsinnige Aufenthalte: "Ich bin pumperlgsund", informiert sie den Vorsitzenden Richter Max Boxleitner. Wenn ihr etwas fehle, helfe am besten chinesischer Tee. Die Psychopharmaka habe sie mit Hilfe eines Schamanen bei Vollmond abgesetzt.
So einfach ist die Sache aber nicht, denn Tee allein bewahrt sie nicht vor Ausfällen wie im Kinderzentrum. Irgendwo hatte S. gehört, dass dort nicht gesund gekocht werde, und als sie mitbekam, dass in der angegliederten Montessorischule ein Elternabend stattfinden sollte, entschloss sie sich zum Einschreiten. Am Empfang des Gebäudes stellte sie sich als "Naturdomina", "Tochter des Universums" und "Bienenkönigin" vor und schlug dabei mit ihrer Gerte demonstrativ auf den Tresen. Die Empfangsdame bemerkte gleich, "dass bei der Frau etwas nicht stimmt", und rief einen Kinderarzt herbei.
"Ich will die Leute halt gesund machen"
Der Mediziner konnte S. aber ebenso wenig beruhigen wie eine Lehrerin der Schule. Als die Besucherin anfing, dem Arzt mit ihrer Gerte gegen die Waden zu schlagen, ließ er die Polizei rufen. Die Streife brachte S. ins Bezirkskrankenhaus nach Haar, wo sie als erstes einem Sozialpädagogen kräftig in den Unterarm biss. Bis November 2012 musste die aus schwierigen Familienverhältnissen stammende Frau - der Vater trank, die Mutter war laut S. "auch nicht zu gebrauchen" - in Haar bleiben.
Nach ihrer Entlassung zog es sie aber bald wieder zurück ins Bezirkskrankenhaus. Sie verlangte von einem Oberarzt, eine Mitpatientin herauszugeben, mit der sie in den Urlaub fahren wolle. Weil der Arzt sich weigerte, trat sie ihm in die Genitalien. Seither ist Andrea S. auch selbst wieder zwangsweise im Isar-Amper-Klinikum untergebracht.
Die Taten, die ihr vorgeworfen werden, räumt S. ohne Umschweife ein. Getrieben werde sie aber nicht etwa von einer Krankheit, sondern von ihrem Helfersyndrom: "Ich will die Leute halt gesund machen" sagt die Frau, "aber alle denken nur, ich reden einen Schmarrn." Der Prozess wird fortgesetzt.