Prozess:"Ich habe wie am Spieß geschrien"

  • Ein 26-jähriger, verurteilter Sexualstraftäter hatte im April vergangenen Jahres eine 28-jährige Frau attackiert.
  • Das Landgericht München I verurteilte ihn jetzt wegen vorsätzlicher Körperverletzung und verhängte ein Jahr und sechs Monate Haft.
  • Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen eine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung gefordert. Diesen Tatbestand sah das Gericht aber nicht erfüllt.

Von Andreas Salch

Schreien hilft. Kerstin L. (Name geändert) sagt: "Ich habe wie am Spieß geschrien", als sie im April vergangenen Jahres nachts auf der Walkürenstraße in Neubiberg von hinten von einem Unbekannten angefallen wurde. Bei dem Täter handelt es sich um den rechtskräftig verurteilten Sexualstraftäter Armin H. Der 26-jährige Malerlehrling befand sich zum Zeitpunkt der Tat auf Hafturlaub. Er umklammerte sein Opfer, hielt ihm den Mund zu und ging so brutal vor, dass Kerstin L. eine schmerzhafte Verletzung an der Oberlippe erlitt. Dass die 28-Jährige schrie, überraschte Armin H. so sehr, dass er von ihr abließ und floh.

An diesem Donnerstag verurteilte ihn die 9. Strafkammer am Landgericht München I unter dem Vorsitz von Richter Philipp Stoll allerdings nicht etwa wegen versuchter Vergewaltigung, sondern nurmehr wegen vorsätzlicher Körperverletzung und verhängte ein Jahr und sechs Monate Haft. Die Staatsanwaltschaft hatte dagegen eine Verurteilung wegen versuchter Vergewaltigung und vorsätzlicher Körperverletzung zu drei Jahren Haft beantragt. Zudem hätte, nachdem Armin H. seine Haftstrafe verbüßt hat, geprüft werden sollen, ob gegen ihn die Sicherungsverwahrung anzuordnen sei.

Ein psychiatrischer Sachverständiger sagte in dem Prozess, dass ein "recht großes Risiko" bestehe, dass es bei dem Angeklagten "wieder zu gleichen Taten kommt". Die Voraussetzungen für die Sicherungsverwahrung lägen zwar vor. Doch es stelle sich die Frage, ob der Angeklagte von einer Sexualtherapie profitieren könne. Zum Zeitpunkt der Tat hatte H. eine solche Therapie in der Justizvollzugsanstalt Stadelheim begonnen. Deren bisheriger Erfolg sei eher als "geringgradig" einzustufen, stellte der psychiatrische Sachverständige fest. Bereits 2012 hatte der Malerlehrling binnen weniger Tage versucht, in Ramersdorf-Perlach drei Frauen auf offener Straße zu vergewaltigen. H. hatte sich maskiert und mit einem Messer bewaffnet. 2013 wurde er hierfür vor dem Landgericht München I wegen versuchter besonders schwerer Vergewaltigung zu vier Jahren und zehn Monaten Haft verurteilt.

Bei seiner Vernehmung im aktuellen Prozess war Armin H. von Richter Stoll gefragt worden, was wohl passierte wäre, wenn Kerstin L. in jener Nacht im April 2016 nicht geschrien hätte. Darauf hatte H. geantwortet: "Dann wäre es vielleicht zu einem sexuellen Kontakt gekommen." Aus Sicht des Gerichts hat der Malerlehrling zwar zu einer Vergewaltigung angesetzt; er habe "Überlegenheit gegenüber Frauen empfinden" wollen. Es sei schon eine "krasse Sache", sagte Stoll, dass Armin H. auf Hafturlaub "die erstbeste Möglichkeit nimmt, Frauen hinterherzutigern". Dennoch: Entscheidend für die Kammer, ihn nicht wegen versuchter Vergewaltigung zu verurteilen, war vielmehr, dass Armin H., nachdem er sein Opfer umklammert hatte, "freiwillig die Flucht angetreten" habe, als dieses zu schreien begann. Deshalb handle es sich nicht um eine versuchte Vergewaltigung, sondern um eine vorsätzliche Körperverletzung, betonte Stoll.

Er sei "haarscharf" am Antrag der Staatsanwaltschaft "vorbeigeschrammt", sagte er zu Armin H. Die Kammer hätte den Angeklagten gerne in einer psychiatrischen Einrichtung untergebracht oder nach Verbüßung einer Haftstrafe die vorbehaltene Sicherungsverwahrung angeordnet. Aber es gehe nicht darum, was das Gericht gerne hätte, so Stoll, sondern darum, was die Hauptverhandlung ergeben habe. "Salopp gesagt, Sie haben Glück gehabt", beschied der Richter Armin H.

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