Prozess gegen Waffenhändler:"Was genau du mit den Waffen machst, ist deine Sache"

Waffenhändler vor Gericht

Der Angeklagte Philipp K. verbirgt im Gerichtssaal sein Gesicht.

(Foto: Sven Hoppe/dpa)
  • Ein naiver Waffennarr oder ein Mann mit rechter Gesinnung? In München steht ein 32-Jähriger vor Gericht, der dem OEZ-Amokläufer illegal Waffen verkauft haben soll.
  • Am zweiten Prozesstag werden die rechtslastigen Äußerungen des Angeklagten Philipp K. und seine Aktivitäten im sogenannten Darknet beleuchtet.

Von Martin Bernstein

Hitlergruß und "Sieg-Heil"-Parolen, "Hitler lebt" als Grußformel und Schmähungen von Farbigen, Türken und Juden, ein Foto in Hitler-Camouflage und ein Video mit deutschem Gruß: Am zweiten Verhandlungstag gegen den Waffenhändler des Münchner Amokläufers ist die Eigendarstellung des 32-Jährigen als naiver Waffennarr deutlich korrigiert worden.

Der Angeklagte schweigt dazu weiter. In seinen Vernehmungen hatte er lediglich gesagt, sich bei alledem nichts weiter gedacht zu haben. Die rechtsradikale Grußformel beispielsweise will der Mann als gängige Abschiedsformel gegenüber seinem Cousin schon seit seiner Kindheit benutzt haben. "Ich mache das aus Spaß und habe mir nichts dabei gedacht", soll der Marburger in einer Vernehmung gesagt haben.

Zum Geburtstag erhielt Philipp K. Glückwünsche seines besten Freundes: "Der Reichsminister wünscht dem Führer alles Gute zum Tag seiner arischen Erschaffung." Die Antwort des 32-Jährigen: "Kam bei mir gut an." Im Chat habe man sich auch über Gewalt gegen Ausländer unterhalten, sagte der Zeuge aus, aber das sei nicht ernst gemeint gewesen. Philipp K. hatte seine Anwälte noch am ersten Verhandlungstag erklären lassen, ihm sei es wichtig gewesen, seine Kunden persönlich zu treffen und sie so "kennenzulernen".

Doch auch das Bild dieser angeblichen Sorgfalt hat inzwischen deutliche Kratzer bekommen. "Was genau du mit den Waffen machst, ist deine Sache", schrieb K. einem Kunden. Einem 17-Jährigen aus Hessen verkaufte K. ein Repetiergewehr mit Munition. Der Jugendliche, der später vom hessischen Landeskriminalamt als möglicher "Gefährder rechts" eingestuft wurde, war einer der Schlüssel, der die Fahnder zu K. führte, der im Darknet als "Rico" und als "Pleitegeier" auftrat.

Die spätere Tatwaffe, eine Glock 17, verkaufte K. am 20. Mai 2016 an den späteren Amokläufer David S. Die für den Verkauf vorgesehenen Waffen waren in einer grünen Bundeswehr-Stahlkiste am Autobahnkreuz Köln-Ost gebunkert. Dort holte er sie für seine Deals ab. Etwa viermal im Jahr sei man zu dem Versteck gefahren, so sein einstiger bester Freund.

Am Tag nach dem ersten Besuch in Marburg bedankte der 18-jährige Münchner sich im Chat bei Verkäufer "Rico" und kündigte bereits an: "Ich werde zukünftig wieder bei dir kaufen." Offenbar war es für den jungen Münchner dringend. Denn schon in den nächsten Tagen wollte er einen neuen Deal anbahnen - für weitere 500 Schuss Munition und ein volles Magazin. Das zweite Geschäft kam jedoch erst vier Tage vor den Münchner Morden zustande.

Verrückt sei ihm sein Kunde "Maurächer" nicht vorgekommen, schrieb "Rico" wenige Tage nach dem Amoklauf einem Chatpartner über David S. Aber: "Er hat sich übelst aufgeregt über Sch...türken."

Fünf Tage nach dem Amoklauf vom 22. Juli schlug das bayerische Landeskriminalamt (LKA) bei den hessischen Kollegen Alarm. In einem Chat mit einem "Bastian" (ein Selbstgespräch, wie sich später herausstellte) hatte David S. über einen möglichen Anschlag mit einem Lastwagen und mit automatischen Waffen in Frankfurt oder Offenbach gesprochen. Der Münchner Täter wurde zu diesem Zeitpunkt von den bayerischen Sicherheitsbehörden als "latent ausländerfeindlich, latent rechts" eingestuft. Ein Urteil, das den hessischen Strafverfolgern auch heute noch offenbar nicht abwegig erscheint: Der als Zeuge vernommene hessische Staatsschutzbeamte bezeichnete die Münchner Bluttat am Mittwoch vor Gericht als "Anschlag".

Weitere Fragen warf der Auftritt eines Zeugen am Mittwochnachmittag auf. Der 34 Jahre alte Rechtsanwalt bezichtigte nicht nur den Angeklagten, sondern auch seine eigene Ex-Ehefrau der Mitwisserschaft an den neun Morden in München. Die Ermittler, die im Darknet hätten sehen können, was geplant sei, und die Tat nicht verhindert hätten, zeigte der Mann wegen fahrlässiger Tötung an. Er selbst, so der Zeuge, werde von Akteuren aus dem Darknet mit dem Tod bedroht und könne deshalb nicht aussagen. Die Strafkammer erwägt, den Zeugen durch Schutzmaßnahmen zu einer umfassenden Aussage zu bewegen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: