Süddeutsche Zeitung

Prozess gegen Polizisten:Spritdieb darf im Dienst bleiben

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Von Ekkehard Müller-Jentsch, München

Was ist schlimmer: Wenn ein Polizist einer gefesselten Frau mit einem Faustschlag Nasenbein und Augenhöhle bricht? Oder wenn ein Polizist aus Dienstautos 100 Liter Benzin im Wert von 150 Euro klaut? Diese Frage hat sich binnen einer Woche vor der Disziplinarkammer am Verwaltungsgericht München gestellt. Das Polizeipräsidium gewichtete die Vergehen so: Den schlagenden Polizisten wollte man in der Verhandlung vergangene Woche nur degradieren lassen. Im Falle des Spritdiebes wurde an diesem Montag die "Höchstmaßnahme" gefordert, die Entfernung aus dem Dienst. Doch das Gericht hat die Verhältnisse zurechtgerückt.

Es mag Zufall sein, dass die Disziplinarkammer die beiden Fälle so zeitnah terminiert hat. Erst war es der des prügelnden Polizisten von der Au, der viel Aufsehen erregt hatte: Hier machte das Gericht von Anfang an deutlich, dass für diese Tat aus rechtlicher Sicht die "Höchstmaßnahme" gerechtfertigt sei. Doch das Polizeipräsidium zeichnete in dem Verfahren ein sehr positives Bild des Beamten und sprach sich gegen die Entlassung aus. Der Mann solle lediglich um zwei Dienstgrade zurückgestuft werden - wie es dann auch geschah.

Eine Videokamere zeigte den 50-Jährigen beim Diebstahl

Ganz anders nun bei einem Polizeioberkommissar vom Technischen Einsatzkommando München. Seine Aufgabe war, Observationsfahrzeuge mit Überwachungsgeräten auszurüsten. Ausgerechnet durch die Videoüberwachung in der eigenen Werkstatt war der heute 50-Jährige dabei erwischt worden, wie er mit Schlauch und Kanister aus einem Dienstauto Benzin abzapfte, um es anschließend in den Privatwagen einzufüllen. Der Beamte, ein gelernter Kraftfahrzeugmechaniker, gab ohne Umschweife daraufhin gleich vier weitere solche Diebstähle zu: insgesamt 100 Liter binnen zwei Jahren im Gesamtwert von damals etwa 150 Euro. Vom Strafgericht war der Mann daraufhin zu 150 Tagessätzen zu je 50 Euro verurteilt worden.

Für das Präsidium Grund genug, ihn aus dem Staatsdienst werfen zu wollen. Milderungsgründe sah der Vertreter des Präsidiums in der Verhandlung nicht. Vielmehr meinte er, der Öffentlichkeit sei nicht zu vermitteln, wenn solche Diebstähle nicht mit der "Höchstmaßnahme" geahndet würden, ungeachtet der relativ geringen Schadenshöhe. Anke Jung, die Anwältin des Polizisten, der seit einem Jahr des Dienstes enthoben ist, nannte den Grund für die Diebstähle: Ihr Mandant war nach einer Scheidung durch hohe Anwaltskosten und Unterhaltszahlungen finanziell in Schieflage geraten und wird seither von der Schuldnerberatung betreut.

Das Gericht beließ es bei einer Zurückstufung zum Polizeiobermeister und damit von der Besoldungsgruppe A 10 zu A 9. Der Beamte nahm das Urteil sofort an, das Präsidium dagegen denkt über Rechtsmittel nach

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Quelle:
SZ vom 17.03.2015
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