Prozess gegen Pfleger:Böses Erwachen in der Klinik

Ein 39-jähriger Mann soll in einer Klinik drei Patientinnen missbraucht haben. Vor Gericht bestreitet der Pfleger die Vorwürfe. Sein Verteidiger spricht von möglichen Halluzinationen und sexuellen Phantasien der Frauen.

Von Christian Rost

Im Klinikum Pasing erlebten drei Frauen ein im Wortsinn böses Erwachen. Nach operativen Eingriffen soll sich ein Pfleger im Aufwachraum an den Patientinnen vergangen haben. Während sie noch unter der Wirkung der Narkose vor sich hindämmerten, massierte ihnen der 39-jährige Mann laut Staatsanwaltschaft die Brüste, um sich zu stimulieren. Wegen sexuellen Missbrauchs Widerstandsunfähiger muss sich Konstantinos L. seit Mittwoch vor dem Schöffengericht am Münchner Amtsgericht verantworten. Die Vorwürfe stritt er ab. Sein Verteidiger sagte, die Frauen hätten womöglich unter der Wirkung eines Narkosemittels halluziniert und sexuelle Phantasien entwickelt.

Laut Staatsanwältin Rebecca Hupke kam es an zwei Tagen im März dieses Jahres sowie bei einer Gelegenheit im März 2o12 zu den Übergriffen. Die Patientinnen im Alter von 26, 27 und 30 Jahren befanden sich wegen eines chirurgischen Eingriffs am Handgelenk beziehungsweise wegen Blinddarmoperationen in der Klinik. Nach den OPs unter Narkose kamen sie in den Aufwachraum, wo sie von dem Anästhesiepfleger überwacht werden sollten.

Nach den Aussagen der drei Frauen schob L. jeweils ihre OP-Decken zur Seite und streichelte sie an den Brüsten bis hinunter zum Bauchnabel. Die Betroffenen konnten sich nicht gegen den Übergriff wehren und auch nicht um Hilfe rufen, weil sie noch merklich sediert waren. Sie konnten aber angeblich teils beobachten, was der Pfleger mit ihnen machte.

Flirten zur Beruhigung

Konstantinos L., der nach einer Anzeige einer mutmaßlich Betroffenen am 5. April festgenommen wurde und seither in Untersuchungshaft einsitzt, ließ seinen Verteidiger Jens Bosbach erklären, dass die Vorwürfe nicht der Wahrheit entsprächen. An eine der Patientinnen konnte sich L. demnach gar nicht mehr erinnern, bei den beiden anderen habe er normal seinen Dienst getan.

Wobei das in seinem Fall mit besonderer Zuwendung geschehe: Um Patienten Ängste zu nehmen und eine vertraute Atmosphäre zu schaffen, pflege er im Umgang mit Männern gerne einen kumpelhaften Ton und flirte auch mal mit Frauen. Zur Beruhigung streichle er Patienten über das Gesicht.

Auch der Körperkontakt darüber hinaus gehöre zu seinem Beruf, er müsse die Patienten schließlich berühren, wenn er ihnen zum Beispiel Elektroden zur Herz-Kreislauf-Überwachung anlege oder abnehme. Darüber hinaus sei es auch immer wieder notwendig, Patienten im Bett festzuhalten, wenn sie sich etwa unkontrolliert aufbäumten. Bei einer der Patientinnen, die ihn eines Übergriffs beschuldige, war es nach L.s Darstellung so. Er habe befürchtet, dass die Frau aus dem Bett falle. Unsittlich berührt habe er sie dabei aber nicht.

Verteidiger Bosbach beantragte, einen Psychologen zur Glaubwürdigkeit der Patientinnen zu hören. Alle drei Frauen hätten das Narkosemittel Propofol bekommen, bei dem als Nebenwirkungen "bad trips" bekannt seien. Diese schlechten Träume mit sexuellen Phantasien führten gelegentlich zu Vorwürfen der sexuellen Belästigung oder gar des sexuellen Missbrauchs durch einen Arzt oder durch Pflegepersonal.

Die Staatsanwältin lehnte eine zusätzliche psychologische Begutachtung der drei Patientinnen ab, weil das Gericht bereits eine Toxikologin mit der Frage nach Nebenwirkungen von Narkosemitteln beauftragt habe. Der Antrag wurde zurückgestellt. Während der Vernehmung der Opfer wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Der Prozess dauert an.

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