Prozess gegen LKW-Fahrer:"Warnung an alle Radfahrer"

Eine Radlerin wird von einem abbiegenden LKW erfasst und getötet - das Amtsgericht spricht den Fahrer trotz "aller Tragik" frei.

Alexander Krug

Die Eltern sind entsetzt und schockiert. Sie haben ihre Tochter verloren, mit 26 Jahren wurde die Architektin in Neuhausen auf dem Rad von einem abbiegenden Sattelzug überrollt. Doch das Amtsgericht hat den Fahrer des Lastwagens am Freitag freigesprochen.

Prozess gegen LKW-Fahrer: Ein Radfahrer steht auf einer LKW-Teststrecke bei München im toten Winkel eines Lastwagens: Eine solche Situation wurde der 26-Jährigen zum Verhängnis.

Ein Radfahrer steht auf einer LKW-Teststrecke bei München im toten Winkel eines Lastwagens: Eine solche Situation wurde der 26-Jährigen zum Verhängnis.

(Foto: Foto: dpa)

Dem Angeklagten sei keine Schuld nachweisbar, befand die Richterin. Und: Radfahrer müssten eben besonders aufpassen. "Das ist, als wenn meine Tochter ein zweites Mal überrollt wird", klagt die Mutter der Getöteten.

Die Architektin war am 19. August vorigen Jahres mit ihrem Rad auf der Arnulfstraße unterwegs. Als sie die Einmündung der Sedlmayrstraße überquerte, wurde sie vom abbiegenden Sattelzug des Fahrers Johann W., 44, erfasst und überrollt. Die junge Frau erlag noch am Unfallort ihren schweren Verletzungen.

"Ich hab' niemanden gesehen", sagt der wegen fahrlässiger Tötung angeklagte Johann W. Viel mehr will er nicht sagen, ihn bewege das "zu stark". Sein Anwalt ist der Überzeugung, dass "hier kein Fehlverhalten" vorliege: "Mein Mandant glaubt, er hat sich nichts vorzuwerfen, und ich glaube das auch."

Die im Gerichtssaal anwesenden Angehörigen der Getöteten brechen bei diesem Satz in Tränen aus und der Staatsanwalt fragt nach, wie lange der Angeklagte denn schon Lastwagen fahre. 25 Jahre, sagt Johann W., und noch nie sei etwas vorgefallen.

Laut Gutachten eines Kfz-Sachverständigen war der Sattelzug sehr langsam um die Ecke gefahren, etwa mit zwölf Kilometern pro Stunde. Die Sicht des Fahrers, zumal bei einem hohen Sattelzug, sei sehr eingeschränkt, trotz dreier Spiegel sei die parallel fahrende Radfahrerin wohl im toten Winkel gewesen. Eine Zeugenaussage lässt indes auch einen anderen Schluss zu: Ein Autofahrer will gesehen haben, wie der Angeklagte mit einem Funkgerät hantierte.

"Ein unabwendbares Ereignis"

Für den Staatsanwalt ist nach dem Gutachten klar, dass der Unfall "bei aller Tragik" nicht vermeidbar gewesen ist. Sein Antrag: Freispruch. Dies erregt die Angehörigen und ihren Anwalt Georg Oswald. Es könne doch nicht sein, einen solchen Unfall als "unabwendbares Ereignis" hinzunehmen.

"Das heißt ja, da ist einer mit einem Mordinstrument unterwegs und es kann jeden treffen." Auch der Vater der Getöteten versteht die Welt nicht mehr. Es könne doch nicht "höhere Gewalt" sein, wenn ein Mensch so zu Tode komme. Notfalls müsse ein Sattelzug beim Abbiegen eben seine Geschwindigkeit auf null reduzieren oder die Stadt müsse die Ampeln anders schalten.

Die Amtsrichterin spricht Johann W. frei. Von einem Kraftfahrer könne beim Abbiegen nicht verlangt werden, dass er nahezu null fahre. Zwölf Kilometer pro Stunde seien schon sehr langsam. Der Fall sei eine Warnung an alle Radfahrer, die neben einem solchen "wahnsinnigen Gefährt" fahren. Der Vater des Opfers ist empört: "Wenn das das Ergebnis ist, verliere ich den Glauben an den Schutzzweck der Gesetze." Nebenklage-Anwalt Oswald will Berufung gegen das Urteil einlegen.

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