Prozess gegen Kriegsverbrecher:"Ich habe ein reines Gewissen"

Es sind alte schwarz-weiß Fotos von sehr schlechter Qualität, doch von hoher Aussagekraft: Alte Bilder belasten Josef S.

Alexander Krug

Es sind alte schwarz-weiß Fotos von sehr schlechter Qualität, doch von hoher Aussagekraft: Am zweiten Tag im Prozess gegen den mutmaßlichen Kriegsverbrecher Josef S. aus Ottobrunn begutachtete das Schwurgericht am Montag mehrere Fotos aus Kriegstagen, die bei dem 90-Jährigen gefunden wurden.

Prozess gegen Kriegsverbrecher: Deutsche Soldaten an den Gräbern der beiden Kameraden, die im Juni 1944 von Partisanen getötet wurden.

Deutsche Soldaten an den Gräbern der beiden Kameraden, die im Juni 1944 von Partisanen getötet wurden.

(Foto: Foto: oh)

Sie zeigen die Beerdigung zweier deutscher Soldaten, die von italienischen Partisanen getötet worden waren. Und sie zeigen Josef S., der als Kompanieführer an dem Begräbnis in Umbertide in der Toskana teilnahm.

Umbertide liegt nur wenige Kilometer entfernt von dem Weiler Falzano di Cortona. Dem Ort, an dem laut Anklage auf Befehl von Josef S. im Juni 1944 als Vergeltung 14 Zivilisten von seiner Einheit ermordet wurden.

Josef S. hat bisher stets bestritten, zu jener Zeit auch nur in der Nähe von Falzano gewesen zu sein, geschweige denn etwas mit dem Massaker zu tun gehabt zu haben. Vor Gericht hat er bislang nur seine Anwälte reden lassen, doch das war einmal anders. Im Januar 2005, als die Ermittlungen in Sachen Falzano gerade anliefen, gab er dem Beamten vom Landeskriminalamt (LKA), Hugo D., bereitwillig Auskunft.

Zunächst schilderte Josef S. seinen Werdegang: Als gelernter Schreiner meldete er sich 1937 freiwillig zu den Gebirgsjägern in Mittenwald. Den Krieg erlebte er an verschiedenen Fronten, unter anderem in Polen, Frankreich und Russland. Im Kaukasus erlitt er 1942 bei einer Minendetonation schwere Kopfverletzungen.

Nach der Genesung ging er als hochdekorierter Leutnant (Eisernes Kreuz I und II, Nahkampfspange und Fallschirmjäger-Einsatz auf Kreta) auf eigenen Wunsch als Kompanieführer beim Gebirgs-Pionier-Bataillon 818 nach Italien. Seiner Darstellung zufolge will er Ende 1943 entscheidend an der Rettung von Kunstschätzen aus dem Kloster Monte Cassino beteiligt gewesen sein. Zehn Tage lang will er mit zwei Lkw Kulturgüter nach Rom in Sicherheit gebracht haben.

"Ich habe ein reines Gewissen"

Josef S. schilderte seinem Vernehmer auch den Überfall von Partisanen auf seine Einheit, die mit dem Bau einer Behelfsbrücke beschäftigt war. Aber er verlegte die Attacke viel weiter westlich. Der Ort "Falzano" sage ihm nichts, er sei "nie" in dieser Gegend gewesen. Josef S. schilderte Ermittler D., dass er nach dem Partisanenüberfall die Bewohner des (ungenannten) Ortes auf dem "Dorfplatz" habe versammeln lassen.

Dabei seien etwa "15 bis17 junge Männer" identifiziert worden, die nicht zum Dorf gehört hätten. Die habe er anschließend der "Feldgendarmerie" übergeben. Danach will er nichts mehr von ihnen gehört haben, von einem Massaker habe er keinerlei Kenntnis. "Ich habe ein reines Gewissen", sagte er zu D. Auch könne er sich so etwas von "seinen Leuten" nicht vorstellen: "Ich kann nicht glauben, dass meine Einheit so was macht."

Die Fotos belegen indes, dass Josef S. bei dem Begräbnis seiner Kameraden dabei war. Die Ankläger sind sich sicher, dass er den Befehl zur Vergeltung gab. Zunächst wurden dabei vier Zivilisten, darunter eine 74-jährige Bäuerin, erschossen, die man zufällig auf der Straße oder auf den Feldern erwischte. Dann pferchte die Einheit elf Männer im Alter zwischen 15 und 66 Jahren in ein Haus und sprengte es in die Luft. Nur der jüngste überlebte.

Die Aussage von Josef S. scheint somit wenig glaubwürdig, zumal den Ermittlern die Aussage eines Kameraden von Josef S. vorliegt. Dieser stammte - wie einige Männer im Gebirgs-Pionier-Bataillon auch - aus Südtirol und hatte bereits 2004 in einer Aussage in Meran gegenüber italienischen Ermittlern die Sprengung des Hauses zugegeben, allerdings ohne weitere Details zu nennen.

Der ehemalige Gefreite ist inzwischen verstorben, seine Aussage liegt aber schriftlich vor. "Dazu möchte ich nichts sagen", erwiderte Josef S., als ihn Ermittler D. auf diese Aussage ansprach. Etwas später meinte er fordernd, dass "diese Zeugen" es ihm doch ins Gesicht sagen sollten.

Glaubt man Josef S., dann ist er ein aufrechter Kriegsheld und Retter von Kunstschätzen. Glaubt man den Ermittlern, dann ist er ein Mensch, der als junger, schneidiger Leutnant nicht lange zögerte, ein Massaker an Zivilisten zu befehlen - getreu der vom Oberbefehlshaber der Deutschen in Italien, Generalfeldmarschall Albert Kesselring, ausgebenen Devise, jeden Partisanenangriff mit hoher Vergeltungsquote zu rächen.

Josef S. war 1943 für kurze Zeit Ordonanzoffizier des hitlertreuen Kesselring, der nach dem Krieg zunächst zur Todesstrafe verurteilt wurde. Die Strafe wurde dann in lebenslang umgewandelt, aber auch davon verbüßte er nur sieben Jahre. 1960 starb er in einem Sanatorium.

Josef S. ist mittlerweile 90 Jahre alt. Seine Verhandlungsfähigkeit wurde auch am Montag von seinen Verteidigern abermals in Frage gestellt. Doch laut verschiedenen Gutachten ist sein Gesundheitszustand erstaunlich gut. Als er an den Richtertisch gebeten wurde, um Fotos zu erläutern, überraschte er mit präzisen Erinnerungen. Seine Verteidiger bremsten seinen Redefluss sofort.

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