Prozess gegen Bandidos:Abreibung nach Rockerart

Eine Prostituierte nimmt "überraschend" Urlaub - und plötzlich eskaliert ein Streit: Zwei Bandidos-Rocker müssen sich vor Gericht verantworten, weil sie ein Mitglied einer anderen Gang fast tot geprügelt haben. Der Prozess beginnt unter massiven Sicherheitsvorkehrungen.

Christian Rost

Bandidos, Hells Angels, Türkenfeld, Fürstenfeldbruck

Feuerwehrmänner kümmerten sich um die Beleuchtung, als die Polizei nach der Prügelei das Clubhaus der Bandidos in Türkenfeld durchsuchte.

(Foto: Günther Reger)

Zwei Justizwachtmeister genügen üblicherweise, um aus der Untersuchungshaft vorgeführte Angeklagte im Gerichtssaal zu bewachen. Mörder und Totschläger bekommen schon mal vier oder sechs Beamte zur Seite gestellt. Gleich 30 Wachtmeister für einen Prozess - das ist die Ausnahme.

Am Dienstag begann unter solch massiven Sicherheitsvorkehrungen am Landgericht München II ein Verfahren gegen zwei Rocker. Die Mitglieder der Motorradgang Bandidos müssen sich wegen versuchten Mordes an einem Mitglied der Gringos verantworten.

Der blutigen Abrechnung vor dem Clubhaus der Bandidos in Türkenfeld im Herbst 2011 soll ein Streit in einem Bordell vorausgegangen sein: Eine Prostituierte hatte spontan Urlaub genommen und damit für Verstimmung unter den Rockern gesorgt.

Obwohl der Vorsitzende des Schwurgerichts, Martin Rieder, ein Motorradkutten-Verbot für Prozessbesucher verhängt hatte, gab es noch genügend Insignien dieser Subkultur im Saal zu sehen: Die Angeklagten selbst verbargen ihre Tattoos zwar unter hochgeschlossener Oberbekleidung, ihre zahlreichen Kumpel im Zuschauerbereich indessen zeigten Flagge.

Als sich ein barhäuptiger Hüne mit eingezogenem Kopf und reich bebilderten Unter- und Oberarmen durch den Türstock in den Saal schob, hoben auch die Wachtmeister anerkennend die Augenbrauen. Ihrem rauen Ruf machten die Rocker, teils in Damenbegleitung, dann aber keine Ehre. Gesittet wie eine Gruppe Theaterabonnenten folgten sie dem Prozessverlauf.

Die Staatsanwaltschaft wirft den Angeklagten Georg V., 44 Jahre alt, und Mladen G., 41, versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und schweren Raub vor. Am 11. November 2011 fuhr das spätere Opfer Simon S. aus Sonthofen zum Club der Bandidos nach Türkenfeld, um laut Anklage "eine offene Geldforderung" zu klären.

Im Verlauf des Abends hätten die Angeklagten S. vor die Tür gelockt, um ihm eine Abreibung zu verpassen und ihm seine Gringos-Kutte, das Symbol seiner Bandenzugehörigkeit, abzunehmen. Den ersten Schlag mit einer Stabtaschenlampe soll der Lagerarbeiter G. ausgeführt haben. Auf den wuchtigen Hieb auf den Hinterkopf von Simon S. folgten dann Faustschläge und Tritte des Automechanikers V.

Viermal wegen Körperverletzung verurteilt

Die Angeklagten sollen wechselseitig so lange auf ihr Opfer eingeprügelt haben, bis es mit drei Platzwunden und einer Schnittwunde bewusstlos am Boden lag. Der Geschädigte hätte an Blut oder Erbrochenem ersticken können, so die Staatsanwältin. Mit ihren wuchtigen Schlägen und Tritten hätten die Angeklagten tödliche Verletzungen bei S. in Kauf genommen. Gefunden wurde der Mann von seiner Freundin. Er lag ohne Kutte mit dem Kopf unter einem Auto.

Beide Angeklagten räumten den Übergriff in Teilen ein, wobei Georg V. offen zugab, dass er mit Fäusten auf S. eingeschlagen hatte. Dessen Freundin habe damals in seinem Bordell in Lochhausen gearbeitet und "überraschend" Urlaub genommen. Das sei nicht in Ordnung gewesen, in einem Puff müsse "jeder Platz besetzt" sein, so V.

Er habe daraufhin das Arbeitsverhältnis beendet und sei auch über Simon S. verärgert gewesen. Die ganze Geschichte habe er im Motorradklub erzählt, und beim Aufeinandertreffen mit S. in Türkenfeld habe er dann das Gefühl gehabt, "dass man von mir erwartet, dass ich ihm eine Abreibung verpasse". Er sei bei den Bandidos noch Mitglied auf Probe gewesen, so V. weiter und habe wohl "einen Beweis der Loyalität" zeigen müssen.

Seinen Übergriff auf S. beschrieb der Mechaniker vergleichsweise harmlos. Natürlich habe er mit den Fäusten zugeschlagen, als sein jüngerer Kontrahent in die Hocke gegangen sei, sei die Sache für ihn aber "erledigt" gewesen. V. ging dann angeblich zurück ins Clubhaus - sechs bis acht Bandidos seien noch um S. herumgestanden.

Ihm tue das alles sehr leid, beteuerte V. Er sei inzwischen bei den Bandidos ausgetreten und habe S. 10.000 Euro Schmerzensgeld und weitere 1000 Euro für die Kutte und eine kaputte Uhr bezahlt. Das Bordell habe er verkauft. Der Angeklagte ist bereits viermal wegen Körperverletzung verurteilt worden.

Mladen G. ist zweimal wegen Körperverletzung vorbestraft - und nach wie vor bei den Bandidos. In einer von seinen Anwälten vorgetragenen Erklärung ließ er eine Tatbeteiligung durchblicken. Er habe sich "hineinziehen lassen" in die Auseinandersetzung, die Emotionen seien "wechselseitig hochgekocht".

Was er genau getan hatte, verriet G. nicht. Eine Taschenlampe habe er damals aber nicht dabei gehabt. Beide Angeklagten bestritten, dass sie den Tod von S. billigend in Kauf genommen hätten. Für den Prozess sind noch vier Verhandlungstage angesetzt.

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