Prozess:Gefälscht, gelinkt, gefasst

Fünf Männer stehen vor Gericht, weil sie Gebühren für wertlose Bankgarantien abgezockt haben sollen. Die Ermittlungen in dem Fall laufen schon länger - zu Beginn des Prozesses stellt einer der Angeklagten klar, dass er seinen Verteidiger seit Jahren nicht gesehen habe.

Von Stephan Handel

Ein Angeklagter, ein Verteidiger: So sieht die Szene im Gerichtssaal meistens aus; in der Mehrzahl aller Fälle bleiben bis auf zwei alle Plätze unbesetzt rechts vom Richtertisch. Für den Prozess jedoch, der am Mittwoch vor dem Landgericht begann, haben sie umgebaut - aus zwei Stuhlreihen wurden drei, Mikrofone wurden aufgestellt vor jedem Platz. Fünf Männer sind angeklagt, dazu sitzen dort nun ihre Anwälte und eine Dolmetscherin für den Notfall und die polnische Sprache: Es ist voll auf der Angeklagten-Seite.

Das ist aber nicht der einzige Superlativ in diesem Verfahren - normal ist es ja auch nicht, dass die Hauptverhandlung eröffnet wird elf Jahre, nachdem das Verfahren überhaupt begann. So dauert auch die Feststellung der Personalien deutlich länger als normal - schon allein, um festzustellen, dass ein in der Anklageschrift aufgeführter Verteidiger nicht mehr Verteidiger ist: "Den habe ich seit Jahren nicht mehr gesehen", sagt der Angeklagte dazu.

Rekordverdächtig dann auch der Job der Staatsanwältin an diesem ersten Verhandlungstag: Die Verlesung der Anklageschrift, normalerweise in wenigen Minuten erledigt, dauert mehr als eine Stunde, denn es sind nicht die üblichen zwei, drei oder vier Seiten, sondern mehr als 30, darin enthalten jede Menge Tabellen, und auch die müssen Wort für Wort vorgelesen werden, so verlangen es der Rechtsstaat und die Strafprozessordnung.

Noch schwieriger allerdings als die Aufgabe, während der Verlesung nicht einzuschlafen, ist der Versuch zu verstehen, was den Angeklagten denn eigentlich vorgeworfen wird. "Gewerbs- und bandenmäßiger Betrug", so steht es am Ende der Anklage. Wie aber der Trick ging, das ist nicht ganz so leicht zu erklären.

Es geht um so genannte Bankgarantien - diese sind ein Finanzwerkzeug im internationalen Warenverkehr: Wenn eine deutsche Firma, zum Beispiel, Geschäfte mit einer brasilianischen Firma machen möchte, diese Firma und ihr Finanzgebaren aber nicht gut genug beurteilen kann, dann kann eine brasilianische Bank eine Garantie ausstellen, dass nämlich der Firma zu trauen sei. Falls das dann doch nicht der Fall ist, bekommt die deutsche Firma ihr Geld von der brasilianischen Bank. Selbstverständlich lässt sich die Bank eine solche Garantie und das damit einhergehende Risiko bezahlen. Und mit diesen Gebühren soll die mutmaßliche Betrüger-Bande, die nun die Anklagebank belegt, ihren Reibach gemacht haben.

Das "Geschäftsmodell" sah vor, dass interessierten Kunden Bankgarantien vermittelt wurden, zum Beispiel von der Banco Banex in Costa Rica, von der Banco do Brasil oder von der Hongkong and Shanghai Banking Corporation in Taiwan. Mit diesen Garantien wäre es den Kunden möglich gewesen, bei anderen Banken Kredite zu erhalten. Was die jedoch nicht wussten: Die allermeisten Unterlagen, so die Anklage, waren gefälscht, es gab keine Garantien, meistens nicht einmal Kontakte zu den angeblich ausstellenden Banken. Real waren nur die Gebührenrechnungen - und eine Vielzahl von zu unterschreibenden Verträgen und anderen Vereinbarungen, bewusst unübersichtlich gehalten, so dass den Kunden, juristische Laien, mit das Wichtigste entging: dass die von ihnen bezahlte Gebühr entgegen mündlicher Zusicherungen schon abgehoben werde konnte, obwohl das versprochene Darlehen noch gar nicht an den Kunden ausbezahlt war.

Von den fünf Angeklagten ist einer wohl als Haupttäter anzusehen, der 53-jährige Rechtsanwalt Thomas R., vormals Partner in einer renommierten Cottbuser Kanzlei. Dort jedoch bekam er Probleme, weil immer mehr Geschädigte ihn zivilrechtlich mit Schadensersatz-Ansprüchen verfolgten. So gründete er mit dem Angeklagten Frank K. eine eigene Firma nur zu dem Zweck, die eingegangenen "Gebühren" der Kunden zu verwalten und an die Mitbeteiligten auszubezahlen. Die drei weiteren Angeklagten hatten den Auftrag, Kunden zu akquirieren. Laut Anklage können sie sich nicht darauf berufen, nichts von dem betrügerischen Hintergrund des Geschäfts gewusst zu haben: Ein Mitglied des Direktoriums der Zentralbank von Paraguay gilt als Erfinder der Masche, er hatte offensichtlich Bankmitarbeiter bestochen, damit sie die Garantien ausstellten - die jeweiligen Banken wussten davon nichts, so dass die entsprechenden Papiere letztlich wertlos waren.

Der Handel blühte trotzdem. 2003 begann das Geschäft mit den falschen Bankgarantien, 2006 saß einer der Angeklagten schon mal in Untersuchungshaft, dennoch ging der Betrug noch bis 2009 weiter. Insgesamt addiert die Anklageschrift den entstandenen Schaden auf gut 7,5 Millionen Euro. Da allerdings gab es am Landgericht München schon Betrugsprozesse mit größeren Schadenssummen. Dennoch: Vorerst bis Ende August wird im Durchschnitt zwei Mal wöchentlich verhandelt, in einem Gerichtssaal, der so gut besetzt sein wird wie kaum sonst einer in einem normalen Prozess.

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