Prozess:Geblendet vom Leben der Schönen und Reichen

Er trieb Rechnungen für Ärzte ein und bediente sich selbst an deren Honorar: Ein Inkasso-Geschäftsführer hat Ärzte offenbar aus Prestigesucht um 900.000 Euro geprellt.

Alexander Krug

Viele niedergelassene Ärzte lassen ihre Rechnungen von Inkassobüros eintreiben. Dieses Geschäftsmodell gefiel auch Betriebswirt Christian L., 42. Flugs gründete er im noblen Grünwald eine medizinische Abrechnungsgesellschaft und ließ sich seine Dienste von den Medizinern fortan gut bezahlen.

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Betriebswirt Christian L. trieb Rechnungen für Ärzte ein und bediente sich irgendwann selbst an deren Honorar - weil ihm "die privaten Kosten aus dem Ruder liefen".

(Foto: ddp)

Sein Aufstieg in der feinen Gesellschaft stieg ihm dann aber offenbar so zu Kopf, dass ihm - wie er es nennt - "die privaten Kosten aus dem Ruder liefen". Als er nicht mehr weiterwusste, bediente er sich am Honorar der Ärzte und zweigte so knapp 900000 Euro für sich ab.

Der Wunsch nach Rechtfertigung

Christian L. sitzt auf der Anklagebank im Landgericht und schweigt erstmal. Sein Anwalt, die Richter und die Staatsanwältin ziehen sich zu einem "Rechtsgespräch" hinter verschlossene Türen zurück. Nach einer knappen Stunde teilt der Vorsitzende das Ergebnis der Absprache mit: Christian L. kann auf eine Bewährungsstrafe hoffen, wenn er gesteht.

Eigentlich möchte der Angeklagte außer einem pauschalen Geständnis nichts weiter sagen, doch dann überkommt ihn doch der Wunsch, sich zu rechtfertigen.1998 gründete er in Grünwald seine Abrechnungsgesellschaft, er hielt 75 Prozent der Anteile, seine Ehefrau 25. "Am Anfang lief es überraschend gut", sagt er, als Geschäftsführer habe er sich im Durchschnitt ein Gehalt von 3200 Euro ausbezahlt.

Mit dem geschäftlichen Erfolg sei auch der "gesellschaftliche Aufstieg" einhergegangen, und damit nahm das Verhängnis seinen Lauf. Als Aufsteiger aus "einfachen Verhältnissen" habe er "das Ansehen genossen" und sei dadurch in "ein bestimmtes Fahrwasser" geraten.

Konkretere Antworten bleibt er schuldig, doch ganz offensichtlich wollte er am Leben der Schönen und Reichen unbedingt teilhaben - auch um den Preis krimineller Geschäfte. Laut Anklage entnahm er im Zeitraum von 2004 bis 2009 in 274 Fällen insgesamt knapp 900.000 Euro vom Firmenkonto. Die Ärzte hielt er hin und vertröstete sie.

"Ich bin da in einen Strudel geraten"

"Ich dachte immer, das kriegst du schon wieder in den Griff. Doch die privaten Kosten sind mir immer mehr aus dem Ruder gelaufen. Ich bin da in einen Strudel geraten, aus dem ich nicht mehr rauskam."

Seiner Schilderung zufolge kamen dann auch noch zwei andere Faktoren hinzu: Wirtschaftskrise und Gesundheitsreform hätten dazu geführt, dass viele Ärzte ihre Abrechnungen in die eigenen Hände genommen oder aber versucht hätten, seine Preise "zu drücken".

Immerhin hat sich Christian L. am Ende selbst gestellt und ist mit seinen Unterlagen und seinem Anwalt zur Polizei marschiert. Mittlerweile hat er auch rund die Hälfte des Schadens wiedergutgemacht. Auch deshalb sitzt er trotz der Schadenshöhe nicht in Untersuchungshaft und hofft, nach dem Ende des Verfahrens beruflich wieder Fuß fassen zu können.

Die Strafkammer verurteilt ihn absprachegemäß zu zwei Jahren Haft, die zur Bewährung ausgesetzt werden. Als Auflage muss Christian L. binnen drei Jahren weitere 100.000 Euro Schadenswiedergutmachung leisten.

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