Süddeutsche Zeitung

Prozess:Frühere Manager von Müllerbrot sollen nach Hygiene-Skandal in Haft

  • Insolvenzverschleppung, Betrug und Untreue: Das wirft die Staatsanwaltschaft drei ehemaligen Geschäftsführern von Müllerbrot vor.
  • Vor vier Jahren kam ein Hygiene-Skandal in der Neufahrner Großbäckerei ans Licht.
  • Bei dem Prozess geht es jedoch weniger um die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht.

Von Peter Becker

Bei dem Gedanken, über die Frühstücksbrezen könnte eine Kakerlake gelaufen sein, kann einem der Appetit gründlich vergehen. So mag es manchen Kunden von Müllerbrot vor knapp vier Jahren ergangen sein, als herauskam, dass sich in der Neufahrner Großbäckerei Schädlinge tummelten.

Doch es sind nicht in erster Linie die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht, wegen der sich die drei ehemaligen Geschäftsführer derzeit vor der Wirtschaftskammer des Landshuter Landgericht verantworten müssen. Vielmehr wirft ihnen die Staatsanwaltschaft Insolvenzverschleppung, Betrug und Untreue vor. Aber gerade vor dem Hintergrund der "ekelerregenden Produktionsbedingungen", forderte der Staatsanwalt an diesem Mittwoch in seinem Plädoyer mehrjährige Haftstrafen für die Angeklagten. Diese dürften nicht zur Bewährung ausgesetzt werden. "Alles andere ist dem Bürger nicht vermittelbar", sagte er.

Vor knapp vier Jahren wurden die Backstraßen in der Großbäckerei angehalten. In den Produktionshallen hatten Kontrolleure Schädlinge gefunden. In der Folge verloren 1200 Mitarbeiter ihre Jobs. Doch im Prozess, der mittlerweile zehn Monate dauert und sich über 38 Verhandlungstage erstreckt, geht es weniger um die Verstöße gegen das Lebensmittelrecht.

Die Staatsanwaltschaft interessiert vielmehr, ob die Geschäftsführer, der 67-jährige Klaus-Dieter O., der 49-jährige Stefan H. und der 66-jährige Jürgen Werner Willi K., die Insolvenz des Unternehmens verschleppt hatten. Bereits 2010 soll der Betrieb zahlungsunfähig gewesen sein. Klaus-Dieter O. soll trotzdem eine halbe Million Euro aus dem Betriebsvermögen abgezweigt haben.

Das geschäftsführende Trio hatte die Aufgaben untereinander verteilt. Stefan H. war für die Finanzen zuständig, Jürgen K. für die Produktion. Klaus Dieter O. fungierte wohl hauptsächlich als Geldgeber. Was die Lebensmittelgesetze angeht, nannte Verteidiger Ulf Israel diese "monströs". Sogar Experten bezeichneten sie als undurchschaubar. Was den Verzehr der Ware betrifft, sei von Großkunden kaum etwas beanstandet worden.

Betrug in 176 Fällen

Verteidiger Richard Beyer mutmaßte, die Geschäftsführer seien Opfer der damals ständigen Überarbeitung der Vorschriften gewesen, die auf den Gammelfleisch-Skandalen beruhten. Sie seien den neuen Vorschriften stets hinterhergehechelt. Eine weitere Schwierigkeit habe darin bestanden, das Hygieneverhalten der Mitarbeiter kurzfristig zu verändern. Was die Großbäckerei überdies in die Bredouille gebracht hat, waren steigende Rohstoffpreise und die Kündigung eines Großauftrags durch den Rewe-Konzern.

Der Staatsanwalt will in den drei Angeklagten raffgierige Manager sehen, die trotz der finanziellen Schieflage so viel Geld wie möglich aus dem Unternehmen gezogen haben sollen. Besser wäre es gewesen, sagte er, dass dieses Geld in Investitionen gesteckt worden wären, um den Hygienezustand zu verbessern. Besonders verwerflich fand er es, dass den Lieferanten vorgemacht worden sei, es sei finanziell alles in bester Ordnung. Dadurch hätten die drei Angeklagten deren Existenz gefährdet. Er wertet dies als Betrug in 176 Fällen.

Die Verteidiger erkennen kaum ein Verschulden bei ihren Mandanten. Ihrer Argumentation nach gab es ein geschäftsführendes Gremium, in dem aber keiner mehr wusste, als was den Bereich betrifft, für den er zuständig war. Offenbar wurde wenig miteinander kommuniziert. Die Verteidiger forderten Freisprüche für Klaus O. und Jürgen K.. Rechtsanwalt Beyer stellt das Urteil des für die Finanzen zuständigen Stefan H. dem Gericht anheim. Eine Haftstrafe hält er für überzogen. Stefan H. will den Ernst der Lage zu spät erkannt, dann aber sofort ein Insolvenzverfahren eingeleitet haben.

Klaus-Dieter O. gehe das Schicksal von Müllerbrot sehr nahe. Seine Familie sei darüber zerbrochen, dass er bis zuletzt Geld in das Unternehmen gesteckt habe. Er sei damals stolz darauf gewesen, dass Müllerbrot in Bayern einen höheren Markenwert als Nestlé gehabt habe, sagte er in seinem Schlusswort.

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SZ vom 29.09.2016/amm
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