Prozess:"Er hat immer nur gegrinst"

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Es klingelt an der Haustür, ein 57-Jähriger öffnet - und wird von einem Fremden mit einem Messer angegriffen. Der Täter soll unter paranoider Schizophrenie gelitten haben.

Von Susi Wimmer

Rudolf T. hat um sein Leben gekämpft. Mit einem wildfremden Mann, der plötzlich vor seiner Haustüre stand und mit dem Messer auf ihn losging. "Er hat immer nur gegrinst", erzählt T. vor dem Landgericht München I. Im Gerangel konnte er dem Fremden das Messer entwinden, kämpfte weiter und klammerte sich nur an den einen Gedanken: "Ich darf das Messer nicht loslassen, ich darf das Messer nicht loslassen." Selbst als der Angreifer längst weg und die Polizei bereits da war, kauerte der verletzte Rudolf T. am Boden und umschloss immer noch mit der Faust die Klinge des Tatmessers.

"Ich bin vorsichtiger geworden", erzählt der 57-jährige Rudolf T. (Name geändert) mehr als ein halbes Jahr nach dem Angriff. Um eine Menschengruppe mache er lieber einen Bogen, "wenn jemand auf mich zugeht, mache ich mir Gedanken". An seiner Haustüre wurde eine Kamera installiert, eine Sicherheitsvorrichtung eingebaut, "und meine Eltern dürfen nicht die Türe öffnen, ehe sie nicht wissen, wer das ist".

Genau so fing es nämlich an, an jenem 7. Januar. T. wohnt mit seinen Eltern in einem Haus in Zamdorf, die Senioren im ersten Stock, er im Parterre. Rudolf T. ist Selbständiger in der Elektrobranche und saß mittags über Bürokram, als es klingelte. Über ein Seitenfenster erkannte T. einen Mann, "ich dachte, das ist der Paketzusteller". Er öffnete die Haustüre einen Spalt, da warf sich der Unbekannte mit der Schulter gegen die Türe. "Ich hatte Socken an und auf den Fliesen keinen Halt", sagt T. "Was soll das?", rief er, und als der andere nur grinste, fragte Rudolf T.: "Hast an Schlag?" Dann zog der Mann ein Messer aus seinem Parka und schrie: "I stich di ab, i stich di ab." Der Flur, sagt Rudolf T., ist eng, und als der Eindringling auf ihn einstach, konnte er nicht lange ausweichen. Er habe versucht, mit den Händen die Stiche abzuwehren, und als er an der Brust getroffen wurde, "da war mir bewusst, dass es ernst ist".

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Aus dem ersten Stock hatte sich mittlerweile der Vater von Rudolf T. mit einer Krücke langsam ins Erdgeschoss gehangelt und schlug mit derselben auf den Täter ein. "Schick ihn rauf", schrie der Angreifer, "sonst stech ich ihn auch noch ab". Im Gerangel stürzten die Männer, Rudolf T. dachte nur: "Mir darf jetzt die Luft nicht ausgehen, sonst bin ich weg." Und auf dem Boden liegend gelang es ihm, sich über den Täter zu drehen und ihm das Messer zu entwinden. Dann drängte er den Mann aus der Haustüre, ging ihm noch ein Stück nach, kam zurück und sackte zusammen. Die Polizisten mussten ihn mehrmals auffordern, das Messer aus der Hand zu legen.

T. erlitt Stiche und Schnittverletzungen, brach sich den Finger und sagt heute, es sei alles "wie in einem schlechten Film" gewesen. Auf der Anklagebank sitzt der 34-jährige Fidan B. Er soll zum Tatzeitpunkt unter paranoider Schizophrenie gelitten haben. "Es tut mir unendlich leid", entschuldigt er sich. "Ich akzeptiere das", antwortet T., "aber ich versteh' es nicht".

Eine Polizeistreife stieß zufällig im Rahmen der Fahndung auf Fidan B. Er sei ruhig und völlig orientiert gewesen, "und fast schon reumütig", sagt ein Polizist vor Gericht. B. selbst behauptet, sich an nichts erinnern zu können. Am Montag wird der Prozess vor der ersten Strafkammer fortgesetzt.

© SZ vom 12.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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