Süddeutsche Zeitung

Prozess:Ein Überfall, der keiner sein soll

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28 000 Euro erbeuteten die Angeklagten bei Globetrotter

Von Stephan Handel

Es liegt in der Natur der Sache, dass die Staatsanwaltschaft keine Zweifel hat an den Ermittlungen, mit deren Hilfe sie jemanden vor Gericht bringt - würde sie zweifeln, dürfte sie gar nicht anklagen. Und so präsentierten die Ankläger vor sechs Wochen im überzeugtesten Duktus die Vorwürfe gegen drei Männer, die beschuldigt werden, einen Raubüberfall auf die Globetrotter-Filiale am Isartor inszeniert zu haben: Zwei der Männer, ein Fahrer und der spätere Räuber, hätten mit einem Wachmann der Firma zusammengearbeitet, der Überfall auf diesen sei nur vorgetäuscht gewesen. Gut 28 000 Euro erbeuteten sie.

Am Dienstag begann nun der Prozess am Landgericht - und während zwei Täter nichts sagen wollten, erklärte der dritte, eben der Wachmann, er weise die Vorwürfe "auf das Entschiedenste zurück". Das, was er dann vortrug, war entweder die Wahrheit. Oder sehr, sehr gut ausgedacht.

Der spätere Räuber hatte sich in einem Lieferwagen versteckt, den der Fahrer an jenem 6. Februar 2019 gegen 20 Uhr in der Tiefgarage unter der Rieger-City parkte. Nach einer Stunde Wartezeit kam er heraus, ging über das Treppenhaus zum Bürotrakt des Outdoor-Ausrüsters, bedrohte den Wachmann, der gerade Feierabend machen wollte, mit einer Pistole, zwang ihn, die Tür zum Tresorraum aufzusperren und sich selbst mit Handschellen an den Heizkörper zu ketten, öffnete den Tresor, nahm das Geld, ging wieder zum Auto und verschwand mit dem Fahrer. Der Wachmann rief um Hilfe, bis er befreit wurde.

Der gesamte Ablauf ist durch Überwachungskameras lückenlos dokumentiert; der halbstündige Zusammenschnitt des Videos wurde im Gerichtssaal gezeigt. Der Fahrer ist relativ problemlos zu erkennen. Beim "handelnden Täter", also dem Räuber, ist das schon schwieriger: Er war nicht nur mit Schal und Sonnenbrille maskiert, sondern angeblich auch mit einer Faschingsmaske, Modell "Alter Mann". Ob er eine solche Maske tatsächlich trägt, ist auf dem Video nicht zweifelsfrei zu erkennen. Eine solche Maske wurde zwar bei einer Hausdurchsuchung bei dem Wachmann gefunden. Die DNA-Untersuchung ergab jedoch, dass ausschließlich Spuren von ihm anhafteten. Und wie konnte der Räuber den Tresor öffnen? Die Anklage geht selbstverständlich davon aus, dass der Wachmann den Code verraten habe - der aber sagt in der Verhandlung, dass er ihn nicht gewusst habe, dass die Geschäftsführung sogar ein großes Zinnober gemacht habe, die Zahlenkombination geheim zu halten. Zwar kannten sich mutmaßlicher Räuber und Wachmann - aber das allein beweist ebenfalls noch gar nichts. Der Prozess wird fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 11.03.2020
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