Prozess:Der Wert des Bodenwerts

Stadt klagt gegen Firma, die Daten von Ämtern weiterverkauft

Von Stephan Handel

Der durchschnittliche Münchner weiß über Grund und Boden in seiner Heimatstadt zumeist nur dies: dass er sauteuer ist. Wie sauteuer aber - das müssen nicht so durchschnittliche Münchner schon genauer wissen, etwa Immobilienmakler oder Bauherren, aber auch Mitarbeiter von Ämtern. Für sie ermittelt ein so genannter Gutachter-Ausschuss bei der Stadt den Bodenrichtwert aus zurückliegenden Verkäufen. Und um diese Bodenrichtwerte gibt es nun Streit vor Gericht.

Wer nämlich eine Auskunft haben will über den Wert, der muss zunächst bezahlen: 30 Euro für eine Einzelauskunft, 1000 Euro für eine Dauer-Lizenz, 650 Euro für einen kompletten Kartensatz. Eine Firma aus Berlin mit dem weit ausholenden Namen "Gesellschaft für kartographische Abdruck- und elektronische Vervielfältigungsrechte mbH", kurz Geka, nun witterte ein Geschäft, erwarb einen Kartensatz bei der Stadt, bereitete die Daten auf, so sagt sie, und bot sie nun ihrerseits gegen Gebühr zur Nutzung an. Das wollte sich die Stadt München nicht gefallen lassen, und weil alle Lizenzierungsverhandlungen ohne Ergebnis blieben, trafen sich die beiden Seiten nun vor dem Landgericht - die Stadt hatte auf Unterlassung geklagt.

Es geht dabei um das Urheberrecht und das Recht der Datenbanken. Die Geka, vertreten durch den Geschäftsführer und zwei Rechtsanwälte, sagt, dass sie aus den von ihr legal erworbenen Daten ja etwas eigenes mache - so sei bei ihrer Online-Abfrage der Bodenrichtwert und andere Kennzahlen mit jeweils Adresse und Hausnummer verknüpft, während bei der Stadt nur mehr oder weniger große Gebiete abgefragt werden könnten. Und sowieso sei die Erhebung der Werte der Stadt gesetzlich vorgeschrieben, mithin im Gemeinwohl-Interesse wie etwa die Straßenbeleuchtung. Und deshalb sei fraglich, ob damit überhaupt ein wirtschaftlicher Erfolg erzielt werden dürfe. Zudem stellt die Geka in Zweifel, dass die Stadt für die Erhebung der Daten einen hohen Aufwand betreibe, wie sie behauptet: "Die Meldung über einen Kaufpreis kommt automatisch vom Notar, und das war's dann", sagte Hans Biermann, der Geschäftsführer.

Da allerdings fühlte sich Albert Fittkau in seiner Ehre gepackt, er ist der Leiter des städtischen Bewertungsamtes und Vorsitzender des Gutachter-Ausschusses: Mit der Erfassung von Kaufverträgen sei es noch lange nicht getan, wandte er ein. Für die Gewichtung des dabei erzielten Preises sei es etwa notwendig zu ermitteln, aus welchem Jahr die Bestands-Bebauung stamme, denn das habe eventuell Einfluss auf die Abbruchkosten. Auch werde überprüft, in welcher Beziehung Verkäufer und Käufer stehen - wenn der Vater dem Sohn das Haus verkauft, dann ist der ausgehandelte Preis höchstwahrscheinlich nicht repräsentativ, weshalb er auch nicht in die offizielle Statistik einfließe. Immerhin: Rund 330 000 Euro, gab Fittkau an, erlöse die Stadt pro Jahr mit Auskünften zu den Bodenrichtwerten, kostendeckend sei das nicht. Außerdem sei München nicht mit anderen Gemeinden "auf dem flachen Land" zu vergleichen: Dass ein Quadratmeter Grund in der Innenstadt leicht mal 125 000 Euro kosten könne, zeige ja schon, in welchen Dimensionen der Münchner Gutachter-Ausschuss sich bewege.

Wie immer versuchte das Gericht, die Parteien zu einer Einigung zu bewegen - fand damit aber kein Verständnis bei den Vertretern der Stadt: "Wir wollen eine Entscheidung." Eine solche wird nun verkündet am 23. März.

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