Prozess:Den Frust weggesprengt

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22-Jähriger bringt mehrere Haarspraydosen zur Explosion und muss nun einen Drogenentzug machen

Von Susi Wimmer

Eine gediegene Ausdrucksweise, die kann man Adrian K. sicherlich attestierten. Wie er denn bei der Tat genau vorgegangen sei, will der Gutachter von dem 22-Jährigen wissen. Das sei so gewesen, "wie Sie der Anklageschrift entnehmen können", entgegnet der junge Mann geflissentlich. Die Tat hingegen war nicht ganz so gepflegt: In einer Aprilnacht sprengte Andrian K. im Garten seiner Mutter mit Hilfe von Grillanzündern und einem Luftdruckgewehr mehrere Haarspraydosen in die Luft. Dass die hölzerne Fassade seines Elternhauses nicht in Flammen aufging, sei lediglich dem Zufall zu verdanken, meinte die Staatsanwaltschaft. Dafür verurteile das Amtsgericht den Alkohol- und Drogensüchtigen zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe in einer Entzugsklinik. Dorthin will sich der 22-Jährige nun freiwillig begeben, wie er dem Gericht versicherte.

Die Gänge im Justizgebäude an der Nymphenburger Straße sind in den Weihnachtsferien verwaist, die Landgerichte München I und II verhandeln nicht, auch Richter machen Ferien. Nur einer macht eine Ausnahme: Sebastian Schmitt, Richter am Amtsgericht München. "Herbeiführen einer Sprengstoffexplosion" steht auf dem Aushang vor seinem Sitzungssaal A 224. In Handschellen vorgeführt wird Adrian K., nach der Urteilsverkündung wird er nach Hause gehen können - und nicht mehr nach Stadelheim zurück müssen.

Wie er auf die Idee kam, das wisse er heute nicht mehr, sagt K. Fünf Bier hatte er intus, als er in der Nacht von 6. auf 7. April des vergangenen Jahres einige Haarspraydosen auf einem Dekostein in der Mitte des elterlichen Gartens aneinanderreihte, Grillanzünder entfachte und mit einem Schuss aus einem Luftdruckgewehr mindestens drei Dosen zur Explosion brachte. Ein relativ heftiger Feuerball und ein dumpfer Knall sei das jeweils gewesen, berichten die Nachbarn. "Für mich war das erst mal bedrohlich", sagt eine Zeugin. "Es war sicherlich eine Dummheit", sagt ihr Mann, "aber nicht ungefährlich."

Der Vater sei verstorben, der Hund todkrank, "und ich war immer noch daheim", beschreibt der 22-Jährige nachträglich seinen Frust von damals. Er habe in dem Moment nicht nachgedacht. Das scheint dem Münchner schon des Öfteren passiert zu sein. Im Bundeszentralregister taucht er mit sechs Einträgen auf und ein Beamter der Inspektion Riem sagt, dass er den Angeklagten von früheren Einsätzen kenne.

Mit den zersprengen Haarspraydosen war der Frust von Andrian K. in jener Aprilnacht noch nicht vorbei. Er ging tags darauf zu seiner Teilzeitarbeit als Verkäufer und kehrte abends erneut betrunken wieder zu seiner Mutter zurück. Die ließ über ihre Tochter die Polizei alarmieren, dass ihr Sohn sie mit einem Messer bedrohe. "Leg das Messer weg", hörten die eingetroffenen Beamten wenig später durch das offene Küchenfenster die Mutter sagen. Und: "Für mich bist du gestorben, du bist ein Psycho." Schließlich erschien der damals 21-Jährige mit einem Gewehr in der Hand an der Terrassentüre. Die Beamten zogen sofort ihre Dienstwaffen, daraufhin legte K. das Gewehr sofort zu Boden.

Die Mutter erscheint im Zeugenstand. Es ist das einzige Mal, dass Andrian K. ein Lächeln über die Lippen huscht. Sie nimmt von dem Recht Gebrauch, ihre Aussage zu verweigern. Am Ende stellt das Gericht die Anklagepunkte wegen Bedrohung ein.

Seit seinem 15. Lebensjahr, so erläutert der Gutachter, ist Adrian K. immer wieder in psychiatrischen Einrichtungen gewesen. Depressive Verstimmungen und ADHS seien diagnostiziert worden - und immer auch eine "Suchtproblematik". Alkohol, Tabletten, Hustensaft, opiumhaltige Mittel, THC, "ein buntes Gemisch" habe der Heranwachsende da ausprobiert. Der Gutachter schildert eine problematische Jugend, massive Eheprobleme der Eltern, nach dem Abitur sei es Adrian K. nicht gelungen, sich ein eigenes Leben aufzubauen. Der Gutachter empfahl die Zwangsunterbringung in einer Suchtklinik, damit "ähnliche Taten" in Zukunft verhindert werden und der 22-Jährige aus dem "problematischen Familienumfeld" genommen werde.

"Ich schließe mich den Ausführungen meines Anwalts an", sagte K. am Ende der Verhandlung. Er wolle sich für sechs Monate in eine Suchtklinik begeben und habe danach einen Ausbildungsplatz als pharmazeutisch-technischer Assistent. Das Gericht beließ es bei einer Bewährungsstrafe, unter anderem mit der Auflage, dass K. sich drei Jahre lang ständigen Alkohol- und Drogentests unterziehen muss.

© SZ vom 03.01.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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