Prozess:Bezirzt, beschenkt, besiegelt

Wer eine Messe besucht und dort etwas kauft, kann das nicht widerrufen wie bei einem Haustürgeschäft, entscheidet das Oberlandesgericht

Von Stephan Handel

"Pamplona" hieß die Küche, mehr als 10 000 Euro sollte sie kosten, aber als ein Ehepaar aus Mühldorf vom Besuch der "Messe Rosenheim" nach Hause kam, wurden die beiden unsicher: War das tatsächlich der richtige Kauf? Eher nicht, fanden sie, schrieben sofort einen Brief - Einschreiben, Rückschein - an die Firma nahe Ingolstadt und widerriefen den Kauf. Darauf aber wollte sich das Unternehmen nicht einlassen - es bestand auf die Einhaltung des Vertrags. Und so trafen sich die Streithähne vor Gericht, vorerst letztmals am Donnerstag vor dem 3. Senat des Oberlandesgerichts (OLG).

Es ging bei dem Streit um den Wortlaut des Paragrafen 312g des Bürgerlichen Gesetzbuchs, in dem definiert wird, was " Geschäftsräume" sind - und was eben nicht. Denn bei Verträgen, die außerhalb von Geschäftsräumen geschlossen werden, steht dem Kunden seit 2014 ein besonderes Widerrufsrecht zu. Dadurch sollten die Rechte des Verbrauchers bei so genannten "Haustürgeschäften" gestärkt werden - eingeschlossen sind dabei allerdings auch alle Arten von Geschäften, die eben nicht wie üblich in einem Ladenlokal oder vergleichbarem zustande kommen.

Der Kläger, also der Käufer der Küche, meinte, sich auf diesen Paragrafen berufen zu können: Die Messe sei für ihn nicht als Verkaufsmesse erkennbar gewesen, es habe ja schließlich auch Stände von der Arbeitsagentur und der AOK gegeben. Zwar habe die Ehefrau einen Fensterwischer gekauft, aber das sei ja nur ein kleines Teil gewesen. Nicht ersichtlich sei gewesen, dass auch größere Verträge abgeschlossen werden. Zudem habe der Verkäufer des Küchenherstellers die Frau "bezirzt", es habe Sekt gegeben und das Versprechen, bei Vertragsabschluss als Geschenk ein Topfset zu bekommen. Kurz: Das Ehepaar sei überrumpelt worden und hätte ansonsten den Kaufvertrag nicht unterschrieben, weshalb ihm nun das Sonder-Widerrufsrecht zustehe.

Mitnichten, hatte schon das Landgericht gesagt, und mitnichten sagte nun auch das OLG. Der Geschäftsführer des Messeveranstalters war als Zeuge gehört worden, er hatte bestätigt, dass selbstverständlich auch kleinere und größere Käufe während der Veranstaltung getätigt werden. Der Argumentation des Klägers, es habe sich nicht um die "gewöhnlichen Geschäftsräume" der Küchenfirma gehandelt, weil diese zum ersten Mal auf der Messe vertreten gewesen sei, mochte das Gericht ebenfalls nicht folgen: Denn dann würden unterschiedliche Rechte und Pflichten gelten, je nachdem, ob ein Anbieter mehrmals auf der Messe ausgestellt habe oder nicht. Auch dass der Kaufvertrag noch nicht abschließend alle Einzelheiten regele, sondern die genauen Maße der zu liefernden Küche bei einem weiteren Termin im Haus der Kläger festgelegt werden sollte, spricht laut Gericht nicht gegen die Gültigkeit des Vertrags - dies liege "in der Natur der Sache". Schließlich würden weder der Sekt noch das Topfset noch das "Bezirzen" der Klägerin - das Urteil: "was auch immer man sich darunter vorstellen soll" - "von den grundlegenden Wertvorstellungen unserer Gesellschaft als anstößig betrachtet".

Immerhin: Der Senat ließ die Revision zum Bundesgerichtshof zu, weil, so der vorsitzende Richter, es ja doch um eine "sehr grundlegende Frage" gehe - nämlich diejenige, ob eine Messe eine Haustür sei. (AZ: 3 U 3561/16)

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