Prozess:Betreiber von Wiesn-Fahrgeschäften müssen womöglich nachrüsten

Prozess: Karusselle, Autoscooter, Achterbahnen oder Zelte: Die Vorschriften umfassen eine breite Palette an Fahrgeschäften.

Karusselle, Autoscooter, Achterbahnen oder Zelte: Die Vorschriften umfassen eine breite Palette an Fahrgeschäften.

(Foto: Robert Haas)
  • Der TÜV will, dass ältere Fahrgeschäfte auf der Wiesn nach neuen DIN-Vorschriften geprüft werden, obwohl diese zum Zeitpunkt des Baus noch gar nicht galten.
  • Ob das zulässig ist, muss nun das Verwaltungsgericht entscheiden.
  • In erster Instanz bekam der Schausteller Eduard Hohmann Recht und musste sein Fahrgeschäft nicht modernisieren. Doch nun könnte das Urteil aufgehoben werden.

Aus dem Gericht von Maximilian Gerl

Die Verhandlung endet ohne Urteil. Das Gericht will erst ein paar Dinge abwägen, bevor es einen Beschluss findet. Es geht um eine Art Grundsatzfrage: Müssen ältere Fahrgeschäfte nach neuen DIN-Vorschriften geprüft werden, obwohl diese zum Zeitpunkt des Baus noch gar nicht galten? Der Schausteller Eduard Hohmann sagt Nein. Der TÜV sagt Ja, schließlich gehe es unter anderem um die Sicherheit.

In erster Instanz bekam Hohmann Recht, zwei Jahre ist das her. Bei der Revision an diesem Donnerstag lässt der Vorsitzende Richter jedoch durchblicken, dass er geneigt sein könnte, die Sache so zu sehen wie der TÜV. Auch Hohmanns Rechtsanwalt Karl Jusek sagt nach der Verhandlung: "Meine Vermutung ist, das Urteil wird aufgehoben."

Für seinen Mandanten hieße das: "Er wird sein Fahrgeschäft verkaufen." Ein Betrieb lohne sich dann für ihn nicht mehr. Hohmann selbst sagt, er sei jetzt seit 45 Jahren im Geschäft: "Dabei habe ich noch nie einen Unfall gehabt."

Das Ergebnis des Prozesses betrifft nach Schätzungen rund 100 Betreiber von Oktoberfest-Fahrgeschäften. Für sie könnten teure Nachrüstungen anstehen, sollte der 2. Senat des Verwaltungsgerichtshofs München das Urteil aus der ersten Instanz aufheben. Wie viel Geld Hohmann in eine mögliche Umrüstung seines 25 Jahre alten Fahrgeschäfts "Magic" stecken müsste, vermag er nicht zu sagen.

Er selbst geht von einer "riesigen Geldausgabe" aus, weil es zum Beispiel heute ganz andere Schweißtechniken als damals gebe. Und: "Diese Ausgabe erhält ja nur den Ist-Zustand. Das Fahrgeschäft selbst wird dadurch für Kunden nicht attraktiver."

Das "Magic" ist ein sogenanntes Rundfahrgeschäft; mehrere Gondeln rotieren auf einer schrägen Platte und um sich selbst. Wie alle vor 2004 gebauten Fahrgeschäfte wurde es zuerst nach deutschen technischen Vorgaben, der DIN 4112, vom TÜV geprüft, ob es sicher ist und in Betrieb gehen darf. Dann wurde 2012 die europäische Norm EN 13841 umgesetzt.

Sie enthält erhöhte Sicherheitsanforderungen - die aber beim Bau seines "Magic" noch gar nicht existierten, sagt Hohmann. Deshalb sei die EU-Norm nicht für ältere Fahrgeschäfte anwendbar. Sein Rechtsanwalt Jusek sagt, das werde so in allen EU-Staaten berücksichtigt, nur in Deutschland nicht.

Im ersten Prozess vor zwei Jahren schloss sich die 9. Kammer des Verwaltungsgerichts München dieser Sichtweise an: Die neuen Prüfbestimmungen seienrechtswidrig. Erstens fehle die Rechtsgrundlage, einem älteren Fahrgeschäft die Betriebserlaubnis erst wieder zu erteilen, wenn die neue EU-Norm erfüllt sei.

Die Standkosten sind zu hoch geworden

Zweitens sei diese Norm nicht wirksam ins bayerische Bauordnungsrecht eingeführt worden; die veränderte Rechtslage sei den Betroffenen nicht verständlich genug bekannt gemacht worden. Und drittens sei die Anordnung womöglich nicht verhältnismäßig, weil die geforderte technische Begutachtung keinen Mehrwert an Sicherheit biete.

Bei der Revisionsverhandlung am Donnerstag wird über diese Punkte erneut diskutiert. In einer Pause nennt einer der beteiligten Juristen den Fall "spannend", was zeigt, wie kompliziert er ist. Zusätzlich kompliziert wird die Sache, weil die Vorschriften für fliegende Bauten eine breite Palette an Fahrgeschäften umfassen: Karusselle genauso wie Autoscooter, Achterbahnen oder Zelte.

Hohmann sagt, er empfinde den Prozess nicht als Schikane. Ihn störe aber, dass der TÜV gleichzeitig sowohl kontrollierende als auch genehmigende Behörde sei; "da kann man sich ja nicht einmal bei jemanden beschweren". Früher baute er das "Magic" noch auf dem Oktoberfest auf.

Inzwischen beschränkt er sich in München aufs Frühlingsfest, die Standkosten sind zu hoch geworden. Auf der Wiesn betreibt Hohmann stattdessen einen Bierausschank, da sei die größte Gefahr die des Überschäumens. "Noch ist das nicht sicherheitsrelevant", spottet Jusek.

Für Hohmann drängt die Zeit. Ende des Monats läuft die Ausführungsgenehmigung für das "Magic" ab. Bis voraussichtlich Montagnachmittag will der 2. Senat deshalb einen Beschluss fassen.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: