Die 16-jährige Sonja F. ( Name geändert) kam im Sommer 2015 aus den USA, wo sie mit ihren Eltern lebt, nach München, um sich an einer Klinik auf das Medizinstudium vorzubereiten. In einem chirurgischen Krankenhaus im Osten der Stadt geriet die Jugendliche laut Münchner Staatsanwaltschaft während ihres Praktikums an einen Arzt, der sie unter dem Vorwand, ihr ein Ultraschallgerät vorzuführen, missbraucht haben soll.
Der 46-Jährige stritt den Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen am Montag am Münchner Amtsgericht ab. In einer Erklärung seiner Verteidiger Peter Guttmann und Peter Pospisil hieß es, der Mediziner sei ein "unbescholtener Mann".
Laut Anklage bot der Assistenzarzt der Praktikantin, die im Pflegebereich eingesetzt war, eine Führung durch die OP-Säle und eine Einführung in die Arbeit mit einem Ultraschallgerät an. In dem Untersuchungsraum habe sich die Schülerin, die damals kurz vor ihrem Highschool-Abschluss stand, bereitwillig auf eine Liege gelegt.
Anfangs musste sie für die Demonstration nur den Bauch freimachen, dann aber lag sie nur noch mit Schuhen und Socken bekleidet vor dem Mann. Dies soll der Assistenzarzt ausgenutzt haben, um sie an der Brust und am Genitalbereich zu berühren. Dabei soll er gesagt haben: "Ich zeig' dir was."
Sie habe sich nichts gedacht: "Er ist ja schließlich Arzt"
Laut der Videovernehmung von Sonja F., die Richter Matthias Braumandl im Saal des Schöffengerichts zeigen ließ, habe der Arzt sie schließlich auch oral stimulieren wollen. Er ließ jedoch sofort von ihr ab, als sie sagte: "Stopp, ich will das nicht. Ich habe zu Hause einen Freund."
Die Jugendliche hatte zunächst nichts Sonderbares am Vorgehen des Mediziners feststellen können. Erst habe er ihr mit dem Ultraschall Blase, Leber und Nieren gezeigt. Sie habe auch eingewilligt, sich an einem anderen Gerät mit farbiger Auflösung ihre Venen in den Beinen untersuchen zu lassen, berichtete Sonja F.

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"Ich wollte mir deswegen die Hose hochkrempeln, aber er hat sie mir gleich runtergezogen bis zu den Knöcheln. Schließlich habe ich mich ganz ausgezogen." Sie habe sich nichts gedacht: "Er ist ja schließlich Arzt."
Nach dem mutmaßlichen Übergriff zog sich die Schülerin rasch an und fuhr zu ihrer Tante, bei der sie in München wohnte. Sie kam dort völlig aufgelöst und zitternd an, wie ihre Mutter, die sich ebenfalls in München aufhielt, im Zeugenstand berichtete. Als Sonja F. ihr dann erzählte, was passiert war, fiel die Mutter aus allen Wolken. Erst rief sie in der Klinik bei einem Bekannten an, der dort ebenfalls als Arzt arbeitet und das Praktikum vermittelt hatte, und erstattete dann Anzeige bei der Polizei.
Sonja F. musste in psychiatrische Behandlung
Bei seiner Vernehmung bei der Kripo und auch vor Gericht räumte der Assistenzarzt die Untersuchung zu Demonstrationszwecken ein. Die Praktikantin habe sich aber "von sich aus" ausgezogen, er habe das nicht verlangt. Weiter hieß es in seiner Erklärung, dass er "keine sexuellen Handlungen" an ihr vorgenommen habe. Im Übrigen habe er nicht gewusst, wie alt sie ist.
Sonja F. brach das Praktikum nach dem Vorfall nicht ab, sondern beendete es in einer Zweigstelle der Klinik in Planegg. Das hatte ihr die Klinikleitung angeboten. Zurück in den USA zeigten sich nach den Angaben der Mutter die Folgen des mutmaßlichen Missbrauchs.
Ihre Tochter erschien wesensverändert: "Sie war vorher eine ,little Miss Sunshine', danach hat sie kaum mehr gesprochen und sich von ihren Freunden abgewandt. Als sie dann Gewicht verlor und an Schlafstörungen litt, musste Sonja F. in psychiatrische Behandlung. Mittlerweile habe sie sich wieder etwas gefangen, so die Mutter. Der Prozess wird im Mai fortgesetzt.