Prozess:Anklage wegen Terror-Verdachts

Nidal A. wollte eine Bombe bauen und damit Mitarbeiter des Verfassungsschutzes töten - so lautet der Vorwurf der Generalstaatsanwaltschaft. Doch zum Prozessauftakt wird klar, dass die Polizei einen womöglich entscheidenden Beweis "nicht gesichert" hat

Von Andreas Salch

Als Wachmann passt der Münchner Nidal A. darauf auf, dass Autos auf Baustellen "nicht im Halteverbot stehen". Eine wohl eher unspektakuläre Tätigkeit. Im vergangenen Jahr jedoch geriet der 28-Jährige ins Visier des Bundesamts für Verfassungsschutz. Der Familienvater aus Untergiesing-Harlaching soll sich im Internet eine "Anleitung zur Herstellung des hochexplosiven Sprengstoffs Triacetonperoxid", kurz TATP, verschafft haben. Laut Anklage der Generalstaatsanwaltschaft München habe Nidal A. geplant, "in absehbarer Zeit in Deutschland einen Sprengstoffanschlag zu verüben". Seit Dienstag muss sich der 28-Jährige wegen des Vorwurfs vor einer Staatsschutzkammer am Landgericht München I verantworten.

Nidal A. sieht dem Ausgang des Prozesses offenbar optimistisch entgegen. Kurz vor neun Uhr betrat er schmunzelnd mit seinem Verteidiger, Rechtsanwalt Adam Ahmed, den Sitzungssaal B 162 im Strafjustizzentrum an der Nymphenburger Straße, ließ sich bereitwillig von Pressefotografen ablichten und bat, die Aufnahmen von seinem Gesicht unkenntlich zu machen. Im April dieses Jahres hatte das Oberlandesgericht München den Haftbefehl gegen den 28-Jährigen aufgehoben und dies damit begründet, dass "kein hinreichender Tatverdacht" dafür bestehe, dass der Münchner "eine schwere staatsgefährdende Gewalttat" vorbereitet habe. Nidal A., der nach seiner Festnahme Mitte September 2017 in Untersuchungshaft saß, ist seither wieder ein freier Mann. Zum Prozessauftakt begleitete ihn seine Frau.

Die Generalstaatsanwaltschaft stützt ihren Verdacht, wonach der 28-Jährige fest entschlossen gewesen sein soll, einen "jihadistisch motivierten" Anschlag zu begehen, auf eine Drohung im Internet. In einer Chatgruppe mit dem Namen "Wahrred Almu' menin" soll Nidal A. den Ermittlungen zufolge am 12. Juli vergangenen Jahres unter dem Nutzernamen "Imam Tahawi" angekündigt haben, er wolle "Spione und Mitarbeiter des Verfassungsschutzes umbringen". Wenige Tage später soll A. zudem in radebrechendem Englisch in derselben Chatgruppe um "technische Unterstützung beim Bau einer Bombe" gebeten haben. Die Anfrage endet mit den Worten: "Sry, my english ist not the best."

Am frühen Morgen des 15. September 2017 durchsuchte die Kriminalpolizei A.s Wohnung. Die Fahnder entdeckten unter anderem eine handschriftliche Skizze, die angeblich zur Herstellung des Sprengstoffs TATP passt. Nidal A. soll sie angefertigt und mit der Überschrift "Creme Herstellen" versehen haben. Der darauf beschriebene Herstellungsprozess entspricht der Generalstaatsanwaltschaft zufolge in Wirklichkeit aber "eins zu eins" dem eines Propagandavideos der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat", das im Internet veröffentlicht wurde. Außerdem fanden Ermittler bei der Durchsuchung Bauteile, die zu einem "TATP-Sprengsatz" gehören sollen - unter anderem Metallkugeln, Elektronikteile und: "Chinaböller".

Zum Auftakt des Prozesses erklärte der Verteidiger des 28-Jährigen lapidar, sein Mandant werde zu den Vorwürfen keinerlei Angaben machen. Diese seien falsch. Zudem sei der Angeklagte, der die deutsche Staatsbürgerschaft besitzt, kein Salafist, wie die Generalstaatsanwaltschaft behauptet. Nidal A. selbst machte nur wenige Angaben zu seiner Person: Er hat einen Hauptschulabschluss. Nach einer abgebrochenen Lehre als Karosseriebauer schlug er sich als Kommissionierer auf Baustellen durch. Außerdem war er Hausmeister bei einer großen Versicherung. Alkohol und Betäubungsmittel konsumiere er nicht mehr, versicherte der 28-Jährige, der wegen gefährlicher Körperverletzung, Diebstahls, Bedrohung und ähnlicher Delikte bereits mehrfach vorbestraft ist. A.s Bruder wurde 2015 am Münchner Flughafen festgenommen, weil er zu einer Terrorgruppe nach Syrien wollte. Das Landgericht München I verurteilte ihn 2016 hierfür zu zweieinhalb Jahren Haft.

Beim Prozessauftakt gegen Nidal A. am Dienstag fragte die Vertreterin der Generalstaatsanwaltschaft den Angeklagten, ob er denn "praktizierender Moslem" sei. Der Verteidiger des 28-Jährigen wiegelte jedoch sofort ab, sein Mandant werde ihre Fragen nicht beantworten, stellte Rechtsanwalt Ahmed klar. Der Verteidiger hatte auch einen Antrag gestellt, wonach Nidal A.s Angaben, die er nach seiner Festnahme gemacht hatte, nicht vor Gericht verwertet werden dürften - doch diese Forderung wies die Kammer zurück. Eine Kriminalpolizistin, die in dem Fall ermittelt, räumte bei ihrer Vernehmung ein, dass ausgerechnet der Text mit der Todesdrohung, die Nidal A. im Internet gemacht haben soll, "nicht gesichert" worden sei und somit nicht mehr zur Verfügung stehe. Darüber hinaus, so die Zeugin, gebe es keinerlei Hinweise, dass der Angeklagte ein Salafist sei. Der Prozess dauert an.

Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: