Prozess am Landgericht:Mann stiehlt Auto - um ins Gefängnis zu kommen

  • Ein 38-jähriger Münchner steht vor Gericht, weil er ein Auto stahl und dessen Besitzer quer durch die Straßen schleifte.
  • Das Motiv des Mannes: Er habe ins Gefängnis kommen wollen, es sei kalt gewesen - da habe er nicht erfrieren wollen.

Von Andreas Salch

Es waren Szenen wie aus einem Action-Film, die sich an einem Sonntagnachmittag Ende November 2014 in der Ludwigsvorstadt abspielten: Ein wohnsitzloser Mann stiehlt einen blauen Fiat Punto. Dessen Besitzer will den Dieb stoppen, klammert sich an der Motorhaube fest - wird aufgebockt und rast so eineinhalb Kilometer durch die Stadt. Seit Montag steht der 38-jährige Miroslav G. vor Gericht. Sein Motiv für die Aktion: Er habe ins Gefängnis kommen wollen, es sei ja November und kalt gewesen - da habe er nicht erfrieren wollen.

Der Kleinwagen war vor einem Asia-Lokal an der Kapuzinerstraße geparkt, der Zündschlüssel steckte. Miroslav G. nutzte die Gelegenheit und brauste davon. Serhat A., 26, der Eigentümer des Wagens, bemerkte das und rannte dem Täter hinterher. Als dieser an der Kreuzung zur Lindwurmstraße bei Rot an einer Ampel hielt, stellte sich Serhat A. vor sein Auto. Doch das störte den Dieb wenig: Er gab Gas, sodass Serhat A. auf die Motorhaube flog und sich gerade noch festhalten konnte. Für ihn endete der Albtraum erst nach eineinhalb Kilometern.

Mit bis zu 80 Stundenkilometern raste Miroslav G. mit dem Wagen durch die Ludwigsvorstadt. Dabei versuchte er mehrmals, Serhat A., der als Lieferfahrer für den China-Imbiss arbeitet und Vater eines kleinen Kindes ist, durch haarsträubende Fahrmanöver von der Motorhaube zu schleudern. Auf der Kapuzinerstraße fuhr der Angeklagte zick-zack.

Schließlich lenkte er das Auto dicht an geparkte Fahrzeuge am Straßenrand vorbei, um, wie es in der Anklage der Staatsanwaltschaft heißt, "den Geschädigten hierbei abzustreifen". Während der halsbrecherischen Fahrt sahen sich Serhat A. und der Angeklagte die ganze Zeit an. "Der war nicht panisch, sondern ganz ruhig", sagte der 26-jährige Lieferfahrer später. Als Miroslav G. von der Paul-Heyse-Straße bei Rot in die Bayerstraße schoss, passierte es: Von rechts kam ein anderes Auto und prallte gegen den Fiat. Serhat A. wurde von der Motorhaube geschleudert. Durch den Sturz erlitt er Schürfwunden - mehr nicht. Miroslav G. wurde ebenfalls leicht verletzt.

Seit diesem Montag kauert Miroslav G. in einem etwas ausgebeulten dunkelblauen Anzug auf der Anklagebank der 1. Schwurgerichtskammer am Landgericht München I. Die Staatsanwaltschaft wirft Miroslav G. versuchten Mord vor. Als Serhat A. auf der Motorhaube gelegen habe, habe der Angeklagte "billigend in Kauf genommen", dass der Geschädigte ums Leben kommt. Zudem ist er wegen räuberischen Diebstahls sowie gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr angeklagt.

Fraglich ist, ob der Angeklagte strafrechtlich verantwortlich gemacht werden kann. Der 38-Jährige ist offenbar psychisch krank. Bereits als Kind wurde er in einem psychiatrischen Krankenhaus behandelt. Bei der Vernehmung durch Richter Michael Höhne sagte er, er habe in der Untersuchungshaft Soße bekommen, an der etwas gewesen sei. Nach dem Essen sei es ihm vorgekommen, als leuchteten seine Augen blau, sagte der Angeklagte. Der Prozess dauert an.

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