Prozess:45-Jähriger stiehlt seltene Vogelfedern aus Museen

Prozess: Einen Kaiseradler aus Südrussland, dem Federn fehlen, zeigt Kurator Markus Unsöld.

Einen Kaiseradler aus Südrussland, dem Federn fehlen, zeigt Kurator Markus Unsöld.

(Foto: Stephan Rumpf)
  • Ein 45-jähriger Schweizer soll mehrere Dutzend Vogelfedern aus der Zoologischen Staatssammlung in Obermenzing gestohlen haben.
  • Der Verlust wurde bereits 2012 entdeckt, jetzt steht der Mann vor Gericht.
  • Er soll nicht nur in München, sondern auch in anderen Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz zugeschlagen haben.

Von Lisa Settari

Es sind nicht weniger als 25 Millionen Objekte, die der kantige Bau der Zoologischen Staatssammlung in Obermenzing beherbergt. Sie dienen vor allem der Forschung, die Sammlungen stehen Experten und Liebhabern der Zoologie zur Verfügung. Viele Besucher dort sind mittlerweile Stammgäste, so berichtet es Direktor Gerhard Haszprunar, es herrsche ein Vertrauensverhältnis zwischen den Mitarbeitern und ihnen - häufig seien es Fachamateure, sagt Haszprunar, also Menschen ohne zoologische Ausbildung, aber mit oft ausgezeichneten Kenntnissen und großer Begeisterung. Doch dieses Vertrauen ist offenkundig missbraucht worden.

Auch ein 45-jähriger Schweizer soll zu dieser Gruppe gehört haben - er wird nun angeklagt, weil er kostbare und teils historische Vogelfedern aus der Staatssammlung gestohlen haben soll. Nach deren Angaben kam der Mann vor fünf Jahren zum ersten Mal nach Obermenzing, zwei weitere Besuche folgten. Der zuständige Kurator Markus Unsöld erinnert sich, wie er mehrmals in den Raum kam, während der Mann präparierte Vögel abmaß. Ihm fiel nichts Verdächtiges auf, er hat den Mann als sehr freundlich in Erinnerung. Erst als 2012 das Naturkundemuseum in Berlin einen Diebstahl von Vogelfedern meldete, wurde auch in München bemerkt, dass mehrere Dutzend Objekte fehlten. "Die Nutzerfrequenz ist bei Vögeln gering, die Objekte werden nicht besonders häufig eingesehen, geschweige denn komplett kontrolliert", sagt Haszprunar.

Der mutmaßliche Täter hatte es offenbar vor allem auf die Federn seltener Greifvögel abgesehen. Teilweise stahl er einzelne, was kaum auffällt. Das Fehlen größerer Teile kaschierte er. So wurden zum Beispiel Plastiktüten, in denen die Objekte aufbewahrt werden, nach dem Aufschneiden wieder zugeschweißt - wohl um Spuren zu verwischen. Da sich nur ein Kurator und eine Technikerin in Teilzeit um das Vogelmagazin mit 60 000 Bälgen kümmerten, sei es nur schwer möglich, all die Räume besser zu überwachen, sagt Haszprunar. Auch Überwachungskameras würden daran nicht viel ändern - pro Magazin müsste mehr als ein Dutzend davon aufgehängt werden, das könne man sich nicht leisten.

Nach der Entdeckung in Berlin wurden Diebstähle nicht nur in München, sondern auch in anderen Museen in Deutschland, Österreich und der Schweiz bemerkt. Für die Staatsanwaltschaft Basel, die Anklage wegen gewerbsmäßigen Diebstahls erhoben hat, steht fest, dass dort ein und derselbe Täter am Werk war. Haszprunar ist sich sicher, dass der Dieb einige Stücke auf dem Schwarzmarkt für horrende Preise hätte verkaufen können. Es könnte sich bei ihm aber auch um einen "fanatischen Sammler" handeln, der die Objekte in erster Linie selbst besitzen will. Nach einem Bericht der Zeitung Schweiz am Wochenende wurden bei einer Hausdurchsuchung 17 250 gehortete Federn gefunden. Der Wert des Diebesguts wird auf insgesamt mehr als fünf Millionen Euro geschätzt.

An dieser Summe hat Haszprunar jedoch Zweifel. Es sei schwierig, einen realistischen Preis zu nennen, da es keinen regulären Markt für Greifvögel gebe - sie stehen unter Naturschutz. Außerdem seien die Objekte der Staatssammlung nicht versichert. Es gibt also keinen Versicherungspreis als Anhaltspunkt. In drei Wochen soll ein Gerichtsurteil fallen. Das Gericht soll dann auch dazu beitragen, die Rückgabe an die richtigen Museen zu regeln. Da aber nicht alle gefundenen Stücke beschriftet waren, dürfte das eine Detektivarbeit werden. Und selbst wenn jede Feder wieder in die richtige Sammlung komme, sagt Haszprunar, werde es nicht immer möglich sein, die beschädigten Federkleider wieder zu vervollständigen.

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