Protokoll der Grausamkeit:Mord auf Wunsch der Familie

Ein 35-jähriger Iraker ersticht und verbrennt in Garching seine Frau, weil sie "ungehorsam" war. Die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft ist ein Dokument der Seelenlosigkeit.

Susi Wimmer

Er vergewaltigte und demütigte seine Frau, schlug sie und den gemeinsamen Sohn. Als die 24-jährige Sazan B. endlich den Mut fand, sich von ihrem Peiniger zu trennen, erstach dieser sie auf offener Straße in Garching, schüttete Spiritus über sein Opfer und zündete es an. Die Staatsanwaltschaft hat nun die Mord-Anklage gegen den Iraker Kazim M. verfasst - ein Protokoll der Grausamkeit.

Selbst hartgesottene Mordermittler schütteln ob der regelrechten Hinrichtung am helllichten Tag in Garching ungläubig den Kopf, können nicht fassen, dass die Familie des Opfers Kazim M. zu dem Mord angestiftet haben soll. Weil Sazan B. ihrem Mann nicht gehorchte und die Scheidung eingereicht hatte, sollte sie sterben.

Vater fordert Schwiegersohn zum Mord an Tochter auf

Der im Irak lebende Vater von Sazan soll den Ehemann zum Mord an seiner Tochter aufgefordert haben, sagt der Angeklagte, weil sie "Schande über die Familie gebracht hat". Ein Onkel des Opfers bestätigt diese Angaben. Bei der Beerdigung von Sazan B. standen die Familien einträchtig Seite an Seite: die des Mörders - und die des Opfers.

Sazan B., gebürtige Irakerin, und Kazim M. heirateten im Jahr 2000 nach kurdischer Tradition. Die Ehe war von den Familien arrangiert worden. Die hübsche Sazan war damals gerade 18 Jahre alt, ihr Bräutigam elf Jahre älter.

Schon bald muss sich Kazim M. als brutal und besitzergreifend entpuppt haben: Er schlug seine Frau und auch seinen Sohn. Im Jahr 2002 rief Sazan erstmals die Polizei. Als die Beamten in die Wohnung kamen, hatte sie allerdings nicht den Mut, Anzeige zu erstatten.

Später jedoch, als die Misshandlungen immer brutaler wurden, zeigte sie ihren Peiniger wegen Körperverletzung an. Jetzt begann Sazan, sich zu wehren: Sie ließ sich von der Polizei beraten, erwirkte ein Kontaktverbot gegen ihren Mann und zog im September 2005 mit dem damals vierjährigen Sohn aus der gemeinsamen Wohnung aus. Und sie reichte die Scheidung ein.

Wiedersehen in Paradies oder Hölle

Doch Kazim M. hörte nicht auf, Sazan zu bedrohen. Er wusste, dass sie in Garching wohnte. Er stellte ihr weiterhin nach, schlug sie, beschädigte ihre Sachen und kündigte an, sich selbst umzubringen - und auch sie. Kazim M. nahm eine Kassette auf, auf der zu hören war, dass eine Frau ihrem Mann nicht widersprechen dürfe. Das werde er allen zeigen und am Ende der Aufzeichnung sagte er, man werde sich wiedersehen "im Paradies oder in der Hölle, wir werden die Mutter meines Sohnes dort treffen". Die Audio-Kassette verteilte er in 75-facher Ausfertigung.

Ausgerechnet an dem Tag, an dem Sazan B. endlich ihre erhoffte Freiheit erlangte, sollte sie sterben: Der 25. Oktober 2006 war der Tag, an dem die Scheidung zwischen dem einstigen Paar ausgesprochen wurde. Sazan B. war zurück nach Garching in ihre Wohnung gefahren, Kazim M. war ihr auf den Fersen. Gegen 17 Uhr stellte er seinen weißen Ford Mondeo mitten auf der Maier-Leibnitz-Straße ab und stieg aus.

Sazan B. kam ihm zu Fuß entgegen, an ihrer Hand der fünfjährige Sohn. Der Ehemann stürzte auf die junge Frau zu, in der Hand ein zweischneidiges Stiefelmesser. Sazan B. stellte sich intuitiv schützend vor das Kind. Dann stach Kazim M. mehrfach auf Kopf und Körper der Frau ein. Sazan B., bereits lebensgefährlich verletzt, raffte sich noch einmal auf und flüchtete auf die andere Straßenseite. Der 35-Jährige setzte ihr nach, übergoss sie mit Spiritus und zündete sie an. All das geschah vor den Augen des Sohnes.

Heimtückischer und grausamer Mord aus niedrigen Beweggründen, so lautet die Anklage der Staatsanwaltschaft. Im Herbst soll Kazim M. der Prozess gemacht werden.

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