Protestverhalten:Linke Schläger gegen rechte Taktierer

Prügeleien, gezielte Provokationen, Hetzkampagnen im Internet: Auch in München registriert die Polizei eine Zunahme der Gewalt zwischen den extremen politischen Lagern.

Von Birgit Lutz-Temsch

Die Auseinandersetzung zwischen Rechts und Links hat eine neue Stufe erreicht. Laut Polizei zeigt sich auch in München ein bundesweites Phänomen: Veranstaltungen Rechtsextremer werden gezielt von Linksextremen gestört. Rechtsextreme dagegen unterwandern Veranstaltungen bürgerlicher Parteien und versuchen, diese für sich als Plattform zu missbrauchen.

In mehreren deutschen Städten ist es in den vergangenen Monaten zu Zusammenstößen zwischen Rechts- und Linksextremen gekommen, von Kaiserslautern über Homburg, Dresden bis zuletzt in Berlin, wo in der vergangenen Woche vermummte und mit Schlagstöcken bewaffnete Autonome einen Wahlstand der NPD attackierten.

Heißes Eisen

Eine Entwicklung, die auch in München zu beobachten ist, so Konrad Gigler, Chef des Münchner Dezernats für Verbrechensbekämpfung, der die Problematik der rechten und linken Kriminalität als das derzeit "heißeste Eisen" in Münchner Sicherheitsfragen bezeichnet. So kam es im ersten Halbjahr 2005 bereits zu 59 Gewalttaten aus dem linken Spektrum, im Vorjahr waren es nur 19.

Diese Entwicklung wird mit Sorge beobachtet, denn: "Bei den Tätern handelt es sich auffällig oft um Schüler, meist um Gymnasiasten, die zuvor polizeilich nicht in Erscheinung getreten sind", sagt Gigler. "Wir beobachten, dass hier Jugendliche für politische Zwecke instrumentalisiert werden."

Gewalt als legitimes Mittel

Vor allem aber sei die Form, in der der Protest in jüngster Vergangenheit erfolge, problematisch. So sei die große Gegendemonstration mehrerer Tausend Münchner gegen die Veranstaltung des Rechtsextremen Norman Bordin auf der Theresienwiese am 2. April zwar in weiten Teilen friedlich verlaufen. Am Ende sei es aber bei Zusammenstößen mit der Polizei zu 48 Delikten gekommen, davon 41 mit Körperverletzung.

Anfang Juni stürmten vermummte Linke eine Veranstaltung der NPD in der Gaststätte Waldfrieden, es wurden elf Personen festgenommen. Und schon im November war es nach einer Veranstaltung der Rechten am Richard-Strauß-Brunnen nahe der Donnersbergerbrücke zu schweren Zusammenstößen zwischen Rechts und Links gekommen.

Linke Schläger gegen rechte Taktierer

Es wird befürchtet, dass es dabei nicht bleibt. "Diese Situationen sind für uns immer schwierig", so Feiler. "Wir brechen sicher nicht in Jubel aus, wenn eine Demonstration der Rechten angemeldet wird. Unsere Richtschnur ist aber das Gesetz. Wenn wir bei diesen Veranstaltungen präsent sind, schützen wir die Teilnehmer und nicht deren politische Gesinnung, wie uns oft vorgeworfen wird. Und wir sorgen für die Durchsetzung des Versammlungsrechts."

Linksextreme seien vermehrt dazu übergegangen, Gewalt als scheinbar legitimes Mittel im Kampf gegen Rechte einzusetzen, so Feiler. Dazu komme eine neue, perfide Methode der Bloßstellung: Auf beiden Seiten, Rechts wie Links, sei es in jüngster Zeit auch Mode geworden, Fotos der politischen Gegner mit Namen und Adressen ins Internet zu stellen.

Reizfigur Bordin

Mit dem Neonazi Norman Bordin sei in den Bundestagswahlkampf eine besondere Reizfigur eingetreten. Besondere Vorkehrungen für seine Veranstaltungen seien aber vorerst nicht geplant. Diese durchliefen den üblichen Anmeldeprozess im Kreisverwaltungsreferat (KVR). Dort würden nötige Auflagen geprüft und in einem Kooperationsgespräch zwischen Anmelder, KVR und Polizei diskutiert.

Gigler gibt allerdings zu bedenken, dass Aktionen aus dem rechten Lager oft überhaupt erst durch die berechenbaren Reaktionen aus dem linken Spektrum Aufmerksamkeit bekämen. So gebe es täglich unzählige Info-Stände in der Fußgängerzone, die kaum jemand beachte. Baue aber die NPD hier ihre Stände auf, müssten wegen der zu erwartenden Proteste Sperrgitter aufgestellt werden. Komme es dann zu Protesten, erhielten die Rechten Aufmerksamkeit, die sie ansonsten nie bekommen hätten.

Gezielte Provokationen

Ein Umstand, den sich das rechtsextreme Spektrum mittlerweile gezielt zunutze mache, so Gigler. Immer häufiger komme es vor, dass Rechtsextreme bei Veranstaltungen der Linken auftauchten und Interesse vortäuschten, gezielt in der Absicht zu provozieren. "Sie warten vermutlich nur darauf, dass sie jemand angreift", so Gigler, "damit sie wieder die Opferrolle ausfüllen können."

Solch ein Verhalten hat offenbar System, darauf deuten die Erkenntnisse der Polizei zumindest hin: Denn nur selten, so Gigler, gingen Gewalt und Aggressivität von den Rechten aus: "Die Rechtsextremen verhalten sich sehr bewusst diszipliniert -- um keinen Anlass zum Einschreiten zu geben." Und so beschränkten sich die Straftaten aus dem rechten Spektrum meist auf Propaganda-Delikte zum Beispiel das Zeigen des Hilter-Grußes oder das Tragen verfassungsfeindlicher Symbole.

Abgesprochene Wortmeldungen

Die Polizei beobachtet außerdem, dass bei Veranstaltungen bürgerlicher Parteien vermehrt Rechtsextreme auftauchen, die mit abgesprochenen Wortmeldungen gezielt für rechtsextremes Gedankengut Stimmung machten. Hier sei die Polizei allerdings weitgehend machtlos, sagt Gigler: "Wir können nach den Bestimmungen des Versammlungsrechts nur eingreifen, wenn jemand gröblich stört oder eine Straftat oder Ordnungswidrigkeit begeht -- die Hürden für polizeiliche Maßnahmen liegen hoch, weil Meinungs- und Versammlungsfreiheit einen hohen Stellenwert haben."

Die Ursachen für diese schleichende Zuspitzung zwischen Rechts und Links seien vielfältig, so Feiler. Wenn politische und wirtschaftliche Probleme wüchsen, erfreuten sich extreme politische Lager stets gewisser Zuwächse. Es sei aber nun mal Aufgabe einer aufgeklärten Gesellschaft, diese Auseinandersetzung gewaltlos zu gestalten.

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