Die kollektive Laune passt zum grautristen Wetter an diesem Samstag am Tegernseer Platz in Giesing, wo ein unter die Haut kriechender Wind feinen Sprühregen durch die Luft wirbelt. Entsprechend tief haben die 60 Menschen, die sich hier vor dem denkmalgeschützten Postgebäude versammelt haben, ihre Regenschirme über die Häupter gezogen, sodass sie ein wenig an jene Römer erinnern, die aus Angst vor den unbeugsamen Galliern unter ihren Schildern kauern. Und tatsächlich kämpfen die Anwesenden einen Kampf, der nur wenig aussichtsreicher ist als die Angriffe der Legionäre in den Asterix-Comics. Ihr Ziel haben sie auf ein Plakat gepinselt, das zwei Frauen in den Regen recken. Darauf der Schriftzug: „Die Tela-Post muss bleiben.“
Gemeint ist jene Filiale der Postbank an der Tegernseer Landstraße, in die – ungeachtet des Protests vor dem Eingang – ein steter Strom von Menschen mit Paketen und Briefen in der Hand ein- und ausgeht. Noch. Denn heute ist der letzte Tag, an dem hier Postdienstleistungen angeboten werden, sprich: an dem Expressendungen aufgegeben, Päckchen verschickt und Briefmarken erworben werden können. An den folgenden zwei Werktagen bleibt das Geschäft geschlossen, ehe es nach einem Umbau wiedereröffnet – als „Beratungsfiliale“, wie es im Duktus der Postbank heißt. Also ohne Postdienstleistungen.
Gegen diese Umwandlung hat sich Protest geregt – anfangs leise und nur im Viertel, inzwischen lautstark und bis hinauf ins Oberbürgermeisterbüro. „Jeder, dem ich von der Schließung erzähle, ist entsetzt“, sagt Angelika Luible. „Denn die Tela-Post ist der Dreh- und Angelpunkt von Giesing.“ Die Innenarchitektin ist vom Bündnis Heimat Giesing, das zur heutigen Kundgebung aufgerufen hat – obschon die Erfolgsaussichten gering seien, wie sie einräumt. „Trotzdem wollen wir zeigen, dass nicht alles hingenommen wird“, betont Luible. „Und wer aufgibt, der hat schon verloren.“
Ein Verlust fürs Viertel und insbesondere für die Geschäftswelt entlang der Tegernseer Landstraße bedeutet jedenfalls die Umwandlung der Postbank-Filiale – daran sind sich hier alle einig. Und auch Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) hat es bei Instagram „unerträglich“ genannt, dass die Tela-Post – „genau wie zuvor die Standorte am Romanplatz, am Partnachplatz oder am Harras“ – geschlossen werde. Was so freilich nicht ganz stimmt. Schließlich werde die Filiale nicht geschlossen, sondern umgewandelt, betont ein Postbank-Sprecher. Schließlich gebe es verschiedene Zuständigkeiten von Postbank und Post.
„Dreh- und Angelpunkt von Giesing“
Letztere betreibt selbst schon seit Jahren kaum mehr eigene Filialen. Vielmehr arbeitet das Unternehmen mit Partnern zusammen, um seine gesetzlichen Verpflichtungen zur Postversorgung zu erfüllen. Und einer dieser Partner ist die Postbank, die seit einigen Jahren zur Deutschen Bank gehört – und ebenso wie andere Banken infolge der zunehmenden Digitalisierung ihr Filialnetz massiv ausdünnt. So kündigte der Konzern im Herbst 2023 an, die bundesweite Zahl seiner Standorte bis Ende 2026 von 550 auf 320 zu reduzieren. In München sind davon die bereits geschlossene Postbank am Partnachplatz sowie die Filialen am Bahnhofplatz, Goetheplatz, Harras und in der Meistersingerstraße betroffen, die laut dem Sprecher „voraussichtlich in der zweiten Jahreshälfte 2025“ geschlossen werden.
Darüber hinaus wandelt die Postbank mehrere Standorte in „Beratungsfilialen“ ohne Postdienstleistungen um. Genau dies geschieht am 6. Mai in der Sonnenstraße sowie im Laufe des nächsten Jahres in der Kreiller- und Kaflerstraße – und eben jetzt am Tegernseer Platz. Überall dort will sich die Postbank ihrem Sprecher zufolge künftig „auf ihr Kerngeschäft als Bank“ konzentrieren. Derweil werde die Deutsche Post sicherstellen, „dass Kunden die Postdienstleistungen weiterhin bei einem Kooperationspartner in der Nähe des jeweiligen Standorts nutzen können“.
Konkret verweist die Post im vorliegenden Fall auf ihre Standorte in der Humboldtstraße und am Candidplatz – zwei Alternativen, die der Bezirksausschuss Obergiesing-Fasangarten insbesondere mit Blick auf viele ältere Menschen als ungeeignet zurückgewiesen hat. Die Vorsitzende des Gremiums, Carmen Dullinger-Oßwald (Grüne), betont bei der Kundgebung, dass sie mittlerweile die anderen Bezirksausschüsse angeschrieben und um Mithilfe gebeten habe. „Wir müssen als ganze Stadt auf die Beine kommen“, fordert die Lokalpolitikerin, „und der Post zeigen, dass wir uns das nicht gefallen lassen“.