Süddeutsche Zeitung

Proteste gegen Anwältin:Fräulein Stolz unterzeichnet mit "Heil Hitler"

In Ebersberg demonstrieren junge Leute gegen die Neonazi-Anwältin Sylvia Stolz und ihre Eskapaden im "Namen des Deutschen Reichs".

Hans Holzhaider

Ebersberg ist eine eher behäbige kleine Stadt im Osten Münchens. Demonstriert wird hier nicht oft, schon gar nicht gegen Rechtsextremismus - in dieser Hinsicht ist Ebersberg bisher noch nie auffällig geworden. Am letzten Samstag aber zogen etwa hundert überwiegend junge Leute mit Transparenten durch die Straßen Ebersbergs. ´Kein Platz für Nazis` stand darauf oder "Gegen Geschichtsrevisionismus".

Die Parolen galten einer Frau, für die sich bis vor einem Jahr niemand interessiert hatte, die aber mittlerweile in den Kreisen neuer und alter Nazis eine gewisse Berühmtheit erlangt hat: die Rechtsanwältin Sylvia Stolz, 43.

Gesinnungsfreunde nennen sie Fräulein

Frau Stolz, oder Fräulein Stolz, wie sie nach alter deutscher Sitte unter Gesinnungsfreunden angesprochen wird, bekommt in letzter Zeit öfter mal Besuch von einem älteren Herrn mit Glatze und gepflegtem Fünf-Tage-Bart. Das ist Horst Mahler, 70, einst Mitbegründer der RAF, heute ein so militanter Antisemit und Holocaust-Leugner, dass ihn sogar die NPD, der er im Verbotsverfahren in Karlsruhe als Anwalt diente, nur noch mit spitzen Fingern anfasst.

Für Horst Mahler hegt Fräulein Stolz, wie es die Frankfurter Allgemeine Zeitung einmal formulierte, "rotglühende Bewunderung", und sie hat alles getan, um sich ihrerseits die Wertschätzung des Meisters zu erwerben.

Reichlich Gelegenheit dazu hatte sie als Verteidigerin von Ernst Zündel, der in Mannheim wegen Volksverhetzung vor Gericht steht, weil er seit 30 Jahren in seinen unter deutschen Sympathisanten weitverbreiteten "Germania-Rundbriefen" den nationalsozialistischen Massenmord an den europäischen Juden leugnet. Fräulein Stolz saß dort in einer Reihe mit den Speerspitzen der rechtsradikalen Anwaltschaft Deutschlands, Ludwig Bock und Jürgen Rieger.

Allerdings nicht sehr lange, denn sie gebärdete sich in einer Art und Weise, die eine geordnete Verhandlung unmöglich machte. Der Vorsitzende Richter Ulrich Meinerzhagen konnte kaum einen Satz zu Ende sprechen, ohne dass Sylvia Stolz ihm ins Wort fiel und sich ihrerseits halbstundenlang schwadronierend an das Publikum wandte.

Den beiden Schöffen stellte sie im Falle einer Verurteilung des Angeklagten die Todesstrafe wegen "Volksverleumdung und Feindbegünstigung" in Aussicht. Dem Gericht blieb keine andere Wahl, als sie vom Verfahren auszuschließen.

Ihre Beschwerde gegen diesen Beschluss unterzeichnete Fräulein Stolz mit "Heil Hitler". Es kam zu einer denkwürdigen Szene. Obwohl das Oberlandesgericht Karlsruhe den Ausschluss bestätigte, nahm Sylvia Stolz am 4. April 2006 wieder auf der Verteidigerbank Platz. Die Aufforderung des Vorsitzenden, den Saal zu verlassen, quittierte sie mit neuerlichen Tiraden:

Im Namen des Deutschen Reichs

"Ich stehe hier im Namen des Deutschen Reichs, und Sie, Herr Meinerzhagen, verkörpern hier die Fremdherrschaft, Sie treten in die Fußstapfen der Henkersknechte", sie selbst, das Fräulein Stolz, hingegen erfülle die Funktion der kapitolinischen Gänse, die im alten Rom den bedrohten Staat vor dem Angriff der Feinde gewarnt hatten. Jawohl, sie schreie hier Zeter und Mordio, sie beuge sich nicht der unrechtmäßigen Gewalt, und so weiter und so fort.

Dem geplagten Richter blieb schließlich nichts anderes übrig, als zwei weibliche Polizeibeamte zu beauftragen, Fräulein Stolz aus dem Saal zu entfernen. Die kapitolinische Gans wurde also an den Füßen und unter den Schultern gepackt und hinausgetragen, umwallt von ihrer schwarzen Robe, und sie reckte die Faust und schrie: "Das Deutsche Reich erhebt sich, das Deutsche Reich erhebt sich!"

Der Prozess gegen Ernst Zündel schleppt sich immer noch dahin, Fräulein Stolz und Herr Mahler erscheinen jetzt gelegentlich noch als Zuschauer. Oder Horst Mahler besucht, wie gesagt, Fräulein Stolz in Ebersberg. Ein Nachbar will beobachtet haben, dass er dann ihren Hund spazieren führt, und dass die beiden auch mal einen Ausflug im Wohnwagen unternehmen. Wie man sich halt so die Zeit vertreibt, so lange sich das Deutsche Reich noch nicht erhoben hat.

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Quelle:
SZ vom 25.10.2006
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