Protestaktion:Transparente gegen Transrapid

Die Bewohner der Olympia-Pressestadt machen Front gegen die Schwebebahn vor ihrer Haustür.

Anne Goebel

Daniel, Sime und Ilija wollen den Zug nicht. "Nee, keinen Transrapid", sagen die drei Buben, die sich an diesem winterkalten Samstagmittag zum Fußballspielen vorm Haus getroffen haben. Oben, von den Balkonen herunter, hängen Leintücher mit Protestslogans. "Nein", steht da, und: "Was tut ihr uns an?" Sime und seine Freunde wohnen in einem der Hochhäuser, und obwohl sie über die Hintergründe der flatternden Botschaften nicht näher Bescheid wissen, geben sie gern Auskunft. Man sollte, finden sie, die Angelegenheit mal anders angehen. Erstens: Keinen Zug. Zweitens: Dafür endlich einen Fußballplatz. Ilija haucht sich in die rot gefrorenen Hände und sagt: "Das wäre viel billiger."

Protestaktion: Transparente an der Landshuter Allee

Transparente an der Landshuter Allee

(Foto: Foto: dpa)

So überzeugend sich das anhört, in Wirklichkeit ist natürlich alles komplizierter, und deshalb steht Monika Barzen seit elf Uhr vormittags in der Kälte und verteilt Flugblätter. Olympiagelände, Riesstraße 84: Der Arbeitskreis contra Transrapid will mit einer "Verhüllung der Olympia-Pressestadt" auf seine Bedenken gegen den Bau des Hochgeschwindigkeitszugs aufmerksam machen. Die in die Jahre gekommenen Fassaden sind zwar nicht komplett verpackt, die Riesentransparente mit Aufschriften wie "240 Züge täglich" und "LärmLärmLärm" aber weithin sichtbar.

Und am Stand von Monika Barzen bleiben immer wieder Passanten stehen, um sich die Einwände des Aktionskreises erklären zu lassen. Lärm und Erschütterungen durch das in unmittelbarer Nähe vorbeirasende High-Tech-Gefährt - und am Ende bleibt nur noch: wegziehen. So sieht das düstere Szenario der Transrapid-Gegner für die betroffenen Wohngebiete am Olympischen Dorf aus. "Es geht um die Zerstörung von Lebensqualität", sagt Monika Barzen. Sie gehe davon aus, dass es für die Menschen aus etwa 400 Haushalten "nicht mehr möglich sein wird, hier zu leben". Annähernd 250 Züge pro Tag bedeuteten eine permanente Geräuschbelästigung. Vom "flüsterleisen" Zugverkehr, wie es von offizieller Seite heißt, könne keine Rede sein. Um den Lärm als "erträglich" zu empfinden, müsse man mindesten 100 Meter von der Trasse entfernt sein. Viele Betroffene lebten aber in nur 30 Metern Entfernung von den Gleisen. Hinzu kämen die zu erwartenden Erschütterungen, die sich besonders in höheren Stockwerken deutlich auswirkten. "Hier ist bisher nicht bekannt, inwieweit Abhilfe geplant oder überhaupt möglich ist", so Barzen.

Die "Verhüllung" der Hochhäuser versteht der Aktionskreis als "stille Protestaktion", um trotz des bereits eingeleiteten Planfeststellungsverfahrens noch ein Umdenken bei den Verantwortlichen zu erreichen. Im übrigen passe diese Art der Demonstration zur Mentalität der Befürworter. "Die Politiker machen die Augen zu", findet Monika Barzen. "Nach dem Motto: Transrapid-Planung - Augen zu und durch." Um die nicht betroffenen Münchner auf ihre Situation aufmerksam zu machen, habe man die Transparente vor allem an den oberen Stockwerken angebracht. ",Denkt an uns!', das ist es, was wir erreichen wollen."

Ilse Bibes zum Beispiel ist nicht unmittelbar betroffen, aber trotzdem überzeugte Gegnerin des Transrapids. Sie wohnt einige hundert Meter entfernt, passiert beim Samstagseinkauf aber den Stand des Aktionsbündnisses - wobei sie die Kritik auf dem Flugblatt mit dem Geldscheine verschlingenden Reißzähne-Zug ohnehin teilt. Ökologisch absurd, wirtschaftlich unsinnig ("ein Subventionsgeschenk an die Industrie") und eine Zumutung für die Bevölkerung - so wettert Ilse Bibes gegen das Lieblingskind "vom Herrn Wiesheu". Ihr Fazit: "Wir leben hier in dem am dichtesten besiedelten Gebiet Münchens. Über so etwas überhaupt nachzudenken, ist eine Frechheit." Sie habe bisher erst einmal in ihrem Leben demonstriert. Aber wenn es zur Großdemo gegen den Transrapid komme, "gehe ich auf die Straße".

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