Protest vor dem Kultusministerium:Lebensnähe statt Lehrplan

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Dem Kultusministerium hat Hannah Imhoff von der Stadtschülervertretung das Münchner Manifest symbolisch an die Tür genagelt. (Foto: Catherina Hess)

Im "Münchner Manifest" fordern Eltern eine Erneuerung des Schulwesens im Freistaat. Denn der Zustand sei verstaubt, überholt und verkrustet

Von Melanie Staudinger

Die CSU hat sich endlich zu einer Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium durchgerungen. Wenn Kultusminister Ludwig Spaenle aber gedacht hat, dass nun endlich Ruhe einkehrt in seinem Ressort, dann wurde er spätestens am Donnerstagnachmittag eines Besseren belehrt. Da nämlich versammelte sich eine Gruppe Bildungsinteressierter, um ihre Forderungen nach einem besseren Bildungswesen an die Tür des Kultusministeriums zu nageln - ähnlich wie Luther es vor 500 Jahren mit seinen Thesen in der Schlosskirche zu Wittenberg getan haben soll. Die Münchner Eltern fordern eine Erneuerung des Schulwesens im Freistaat: Demokratie erleben statt Steuerung von außen, Beziehung statt Leistungsdruck, Lebensnähe statt Lehrplan.

Diese Forderungen stammen aus einem Workshop, den zahlreiche Initiativen und Institutionen Anfang Februar organisiert haben. Mehr als 300 Mitwirkende diskutierten über Wissensvermittlung, über die Lust aufs Lernen, die Schule der Zukunft und darüber, welche Impulse von Schülern, Lehrern und Eltern kommen müssten. In den vergangenen Wochen formulierten die Organisatoren um die Aktion gute Schule das "Münchner Manifest - Lernen im 21. Jahrhundert", zu deren Vorstellung am Donnerstag unter anderem die Landtagsabgeordneten Martin Güll (SPD), Michael Piazolo und Günther Felbinger (beide Freie Wähler) kamen. Auch Lehrerverbandsvorsitzende Simone Fleischmann, eine Delegation der Gewerkschaft GEW und Ludwig Unger, der demonstrationserprobte Sprecher von Spaenle, schauten vorbei.

Ihnen hatte Hannah Imhoff von der Stadtschülervertretung einiges zu sagen. Wenn sie google, sagte die angehende Abiturientin, finde sie unter dem Stichwort Schule Bilder von Tafeln und Kreide. Das sage viel aus über den Zustand der Schulen: verstaubt, überholt, verkrustet. "Eine Freundin sagte kürzlich zu mir: Alles, was wir fürs Abi lernen, kann man im Internet erfahren", berichtet Imhoff. Doch wie viel ist eine Abschlussprüfung wert, die nur auswendig gelerntes Wissen abfragt? "Wir sollen die Klappe halten. Hauptsache, wir haben gute Noten und einen Abschluss", kritisiert die 19-Jährige. Eltern übten aus Zukunftsangst Druck auf die Lehrer aus, die wiederum die Schüler unter Druck setzen - ein Teufelskreis.

Ein Teufelskreis, aus dem die nun beschlossene Rückkehr zum neunjährigen Gymnasium nach Ansicht von Imhoff und ihren Mitstreitern keinen Ausweg bietet: "Eine Entscheidung über die Quantität ändert die Qualität nicht", sagt sie. Viel wichtiger sei zum Beispiel eine positive Feedbackkultur statt Schulaufgaben, die "wie eine gezielte Fallenstellerei wirken". Schüler sollten mehr einbezogen werden. Was bringe denn ein Demokratieunterricht, wenn Demokratie in der Schule nicht gelebt werde? Nun liege es am Kultusministerium, sich endlich zu bewegen. Immerhin: Sprecher Unger hat das Münchner Manifest für seinen Chef mitgenommen.

© SZ vom 07.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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