Süddeutsche Zeitung

Protest:Teurer Weg zum Traumberuf

Angehende Psychotherapeuten demonstrieren für bessere Ausbildungsbedingungen

Von Sabine Buchwald

Der Weg zum Psychotherapeuten ist lang: Für Hilfesuchende, weil sie durchschnittlich 20 Wochen auf eine psychotherapeutische Behandlung warten müssen. Aber auch für die Therapeuten, weil sie sich erst nach vielen kostspieligen Jahren mit Studium, Aus- und Weiterbildung Psychotherapeut nennen dürfen. So jedenfalls war das bisher. 7600 approbierte Psychotherapeuten gibt es derzeit in Bayern. Mechthild Leidl wird wohl auch irgendwann dazu gehören. Die 33-Jährige hat einen Master in Bildungswissenschaften und steckt Mitten in der Ausbildung zur Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin. Das sei ein lebensbegleitender Prozess, sagt Leidl, die derzeit noch eine sogenannte PiA (Psychotherapeutin in Ausbildung) ist. Als Sprecherin der PiA in Bayern sowie der Bundeskonferenz der PiA kämpft sie für eine Verbesserung der Bedingungen auf dem Weg zu ihrem Traumberuf. Der könnte für Gleichgesinnte schon bald auch auf andere Weise möglich sein. Im Herbst soll dazu ein Gesetz im Bundestag verabschiedet werden.

Womöglich können dann vom Wintersemester 2020 an Universitäten den neuen Studiengang Psychotherapie anbieten. Dieser soll mit einem Bachelor, Master und gar der Approbation abgeschlossen werden können - und der Berufsbezeichnung Psychotherapeut. Danach kann eine Weiterbildung zum Fachpsychotherapeuten folgen - etwa zum Neuropsychologen, der Schlaganfall- oder Schädelhirntraumapatienten betreut.

Wie aber geht es für die Studierenden weiter, die noch nach alter Struktur ihre Ausbildung machen, also etwa in einem Psychologie-, Medizin- oder Sozialpädagogikstudium stecken, vielleicht gar in der postgradualen Ausbildung wie Mechthild Leidl? Das sei noch nicht geregelt, bedauert sie. Prinzipiell begrüße sie das Gesetz, allerdings bedeute es für die nächsten Jahre keine Verbesserung der prekären Situation der PiA - im Gegenteil.

Sie fordert endlich staatliche Unterstützung für die hohen Ausbildungskosten, die bislang selbst getragen werden müssen. Die Ausbildung gilt als Fortsetzung der Berufsausbildung und lässt kein Bafög und auch keinen Anspruch auf Mindestlohn zu, wie er derzeit für Azubis diskutiert wird. Während der verpflichtenden "Praktischen Tätigkeit" von 1800 Stunden arbeiten die PiA oft ohne sozialrechtliche Absicherung oder geregelte Urlaubszeiten und teilweise nur für ein Taschengeld. Die Kurse an den in der Regel privaten Instituten aber kosten über etliche Jahre 400 bis 500 Euro monatlich.

Insgesamt sieben zentrale Forderungen hat Leidl auf ihrer Liste, mit der sie als Hauptorganisatorin diesen Donnerstag zur Demonstration für bessere Ausbildungsbedingungen aufruft. Beginn ist um 18.30 Uhr am Geschwister-Scholl-Platz vor der Ludwig-Maximilians-Universität. Der Protestzug soll über die Ludwigstraße Richtung Odeonsplatz bis zur Luisenstraße führen. Eine Abschlusskundgebung wird es gegen 20 Uhr am Karl-Stützel-Platz nahe dem Hauptbahnhof geben.

Die angehenden Therapeuten befürchten, dass sie mit dem neuen Gesetz ihre Ausbildung nicht mehr beenden können. Sie fordern sichere Übergangszeiten, die Schaffung eines sozialrechtlichen Status mit einer tariflichen Bezahlung. Ferner wollen sie die rechtssichere Berufsbezeichnung für alle PiA, die sich offiziell gar nicht "Psychotherapeut in Ausbildung" nennen dürfen.

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Quelle:
SZ vom 23.05.2019
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